Berlin, O2 World Konzertbericht – 3.6.2011
Iron Maiden, Rise to Remain
Zum ersten Mal seit 2003 kommen Iron Maiden nach Berlin und bescheren der Berliner Metalszene damit das Konzertereignis des Jahres. Der Sechser um Basser Steve Harris will auf der aktuellen Tour ihr neues, von Kritikern und Fans erwartungsgemäß recht zwiespältig aufgenommenes Album „The Final Frontier“ promoten, während viele Fans gekommen sind, um die Klassiker zu hören – ein Interessenkonflikt, mit dem sich viele ältere und erfolgreiche Metalbands (u.a. Metallica, Manowar, Slayer, Judas Priest, Megadeth) herumschlagen müssen. Die Lösungen sehen dabei teils recht verschieden aus – während Megadeth und Slayer dem Wunsch der Fans nachgekommen und tatsächlich nur wenige neue Songs gespielt haben, zählen Iron Maiden zu der Kategorie Bands, die neue Alben gerne sehr ausführlich promoten – und dabei auch ihre Fans gerne mal vor den Kopf stoßen, indem sie unverzichtbare Klassiker auslassen. Man erinnere sich nur an die Tour zu „A Matter Of Life And Death“, bei dem das Album komplett gespielt wurde. Ganz so weit werden die Briten heute nicht gehen, was aber nichts daran ändert, das man keinen Best Of Set erwarten braucht, sondern die Präsentation des neuen Albums mit ein paar Klassikern als Würze.
Unschön ist bei Iron Maiden leider grundsätzlich der Gang zum Shirtstand. Ein einfaches Tourprogramm kostet 15 Euro (das sind nur ein paar farbig bedruckte Seiten!), die Shirts schwanken zwischen 30 und 65 Euro. Da kann man locker mal ein Monatsgehalt am Stand lassen! Und das tun erstaunlich viele Leute – trotz der hohen Preise kaufen die Fans die Shirts und tragen sie dann in der Halle spazieren. Höchst ärgerlich, denn die hohen Preise können nur aufrecht erhalten werden, wenn es auch Leute gibt, die sie bezahlen!
Bleiben wir bei ärgerlich: Vorband sind heute RISE TO REMAIN, die Band von Dickinson Filius Austin. Das ist auch die einzige Qualifikation, die diese Band für den heutigen Konzertabend mitbringt, denn der Metalcore der Band ist weder herausragend gut noch sonderlich passend. An den Instrumenten mögen die Knaben durchaus in Ordnung gehen, und ich finde es auch grundsätzlich durchaus lobenswert, dass das klassische Gitarrensolo langsam aber sicher auch in den moderneren Spielarten härterer Musik Einzug hält, aber das ändert auch nichts daran, dass die Musik der Truppe komplett Identitätslos ist und keinen Biss hat. Vom Publikum gibt es Höflichkeitsapplaus, ein paar Leute machen mit, das Pfeifkonzert übertönt den recht geringen Jubel aber zu jeder Zeit. Eine Band der Marke Grand Magus, Sabaton oder Bullet hätte definitiv besser gepasst.
Dann, pünktlich um 21:00 Uhr, erklingt das Intro „Satellite 15“, während die Bühne, dekoriert im Stil einer Raumstation, von der Lichtanlage stimmungsvoll erleuchtet wird. Die Lichtshow wird von einem Banner, das den Sternenhimmel darstellt, optisch noch aufgewertet. Dann betreten IRON MAIDEN die Bühne und starten mit „Final Frontier“ in einen zweistündigen Set. Der Song ist, seien wir ehrlich, kaum mehr als ein gutklassiger Poprocksong, und auch das nachfolgende „El Dorado“ ist kaum mehr als ein Aufwärmer. Danach ziehen die Briten allerdings mit dem Klassiker „2 Minutes To Midnight“ ihre erste Trumpfkarte, und man kann spüren, wie die Stimmung sich plötzlich überschlägt, denn diese Rakete ist es, auf die alle gewartet haben. Vor wechselnden Bannern zieht die Band von nun an ihr Programm durch, dass die wichtigsten Stationen der Bandgeschichte abdeckt. Nach der Klassikerbombe an dritter Stelle setzt man mit „The Talisman“, „Coming Home“ und „Dance of Death“ erst mal auf ruhigere bzw. epischere Songs, was erstaunlich gut funktioniert. Denn auch wenn es viele nicht wahrhaben wollen oder können: IRON MAIDEN haben ihre ganze Karriere hindurch magische Kompositionen abgeliefert. Zugegebenermaßen, mal waren es mehr und mal weniger, und die Art der Intensität hat sich verändert. Das Ergebnis ist, das die Briten heute einen Set fast zur Hälfte aus ruhigen Tönen bestehen lassen können, ohne dass es dabei zu einem Stimmungstief kommt. Denn die Songs sind nicht kitschig, sondern ergreifend und werden einfach umwerfend interpretiert. Liest man Konzertberichte von Konzerten der vergangenen Jahre, kommt relativ regelmäßig, dass Bruce Dickinson abwesend gewirkt habe. Davon ist heute absolut nichts zu spüren! Sein Gesang ist klar und kraftvoll, seine Gesten eindringlich, und er vermittelt ganz eindeutig, dass das, was er tut, aus tiefstem Herzen kommt. Auch die Instrumentalisten sind gut bei der Sache und legen, gerade was die Gitarrenfront angeht, wahnsinnig viel Gefühl in ihr Spiel. Das kann auch der erwartungsgemäß ziemlich bescheidene Sound nicht ändern. Naja, eine Mehrzweckhalle ist eben eine Mehrzweckhalle und hat dementsprechend einen Mehrzwecksound – geht für alles, ist für nichts wirklich schön. Heute ist der Sound leise, matschig, teilweise basslos und schmerzhaft spitz. Ist aber egal, die Band macht das wieder wett.
Alles wartet auf die nächste Granate, und die kommt in Form von „The Trooper“, das mit einer ungeahnten Durchschlagskraft dargeboten wird. Es ist immer wieder erstaunlich, wie groß bei diesem Song der Unterschied zwischen Platte und Konzert ist. „The Wicker Man“ lässt die Haare gleich weiter rotieren, bevor mit dem Gänsehaut verursachenden „Blood Brothers“ und dem epischen und in seiner Liveversion zur Vollendung findenden „Where The Wind Blows Wild“ nochmal Zuhören und sich entführen Lassen angesagt ist. Danach gibt es kein Halten mehr, denn das Klassikermenü ist angerichtet. „The Evil That Men Do“ fordert den Nackenmuskeln alles ab, bevor „Fear Of The Dark“ mit den geilsten Mitsingteilen des Konzertes aufwartet (wobei das Publikum sich davor schon recht stimmgewaltig präsentiert hat und viele Leads mitgesungen hat). Danach gibt es bei „Iron Maiden“ noch eine Rückführung zu den punkigen Wurzeln der Band. In dieser Zeit gibt es zwei Auftritte von Eddie – einmal als Drei Meter Monster, das die Gitarre übernehmen darf, einmal als kolossaler, den gesamten Bühnenhintergrund einnehmender Kopf plus Hände, der sich mit rot leuchtenden Augen dreht und dabei sein riesiges, mit gewaltigen Zähnen bestücktes Maul öffnet.
Der Zugabeblock steht dann naturgemäß im Zeichen der Frühzeiten und bietet auch keine wirklichen Überraschungen. Bei „The Number Of The Beast“ dreht man durch, bei „Hallowed Be Thy Name“ bangt man sich um seinen kläglichen Restverstand und zu „Running Free“ wird nochmal ausführlich mitgesungen. Danach endet das Konzert, und ein durchgeschwitztes Publikum verlässt nach und nach zu den Klängen von „Always Look On The Bright Side Of Life“ die Halle.
Fazit: Ein großartiges Konzert.
(Felix in eigener Sache)
Hier noch ein ernstgemeinter Aufruf zur leidigen Setlistdiskussion: Sicher werden allen hier noch Songs einfallen, die ihm/ihr gefehlt haben. Ich bitte darum, diese Songs als Kommentar unter diesen Bericht zu schreiben oder mir an black-devilnb@t-online.de zu schicken. Ich fasse die dann zusammen, und wenn genug zusammen kommen, kann man die ja im Namen der BML an die Band schicken.
Setlist:
- Intro
- Final Frontier
- Eldorado
- 2 Minutes To Midnight
- Talisman
- Coming Home
- Dance Of Death
- Trooper
- Wickerman
- Blood Brothers
- Wild Wind Blows
- Evil That Men Do
- Fear Of The Dark
- Iron Maiden
- Number Of The Beast
- Hallowed
- Running Free
1 Kommentar:
@ Setlist
1. Doctor Doctor
2. Satellite 15.... The Final Frontier
3. El Dorado
5. The Talisman
8. The Trooper
11. When The Wild Wind Blows
12. The Evil That Men Do
16. Hallowed Be Thy Name
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