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Sonntag, 14. April 2013

Live Review Hypocrisy - Berlin, K17


Hypocrisy-Europatouren sind verflucht! Bereits bei der 2010er-Tour musste die
zweite Vorband (seinerzeit war es Hatesphere) kurz vor Berlin absagen, diesmal sind es Hate. Der Anlass dafür ist umso trauriger: Bassist Mortifer verstab einige Tage zuvor im Tourbus. Dessen Tod ist eins der Hauptgesprächsthemen der Fans, die Tourorganisation macht hingegen aus der Not eine Tugend und verordnet den anderen beiden Bands längere Spielzeiten, einen Preisnachlass gibt es dagegen nicht. Der Gang zum Shirtstand hält verhältnismäßig hohe Preise (20€ für ein Shirt auch für Essence) bereit, der Andrang ist trotzdem groß, was auch daran liegt, dass das K17 voll wie selten ist, und Zeit dafür ist auch genug, denn der Beginn verschiebt sich um eine halbe Stunde nach hinten.

ESSENCE legen los und können sich gleich über viel Zuschauerzuspruch freuen – bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die Truppe stilistisch (technischer Thrash Metal mit Spät-Schuldiner-Versatzstücken) nicht so recht zum Headliner passen will. Tatsächlich ist an der Instrumentalfront alles in Ordnung, der Krächzgesang ist dagegen stark gewöhnungsbedürftig und das Songmaterial hat häufig einen Schlenker zu viel drin, was den Hörgenuss auf Dauer erschwert. Etwas mehr Schmiss in den Riffs wäre wünschenswert. Die Bühnenpräsenz geht dagegen mehr als in Ordnung, so dass das Fazit durchaus positiv ist.

HYPOCRISY gehen danach in die Vollen: Eine für diesen Club schon zu große, grell blendende Lichtanlage, mehrere große Banner und eine top-eingespielte Band, die mit dem Titelsong des aktuellen Albums „End Of Disclosure“ einsteigt und sofort das gesamte Publikum auf ihrer Seite hat. In den folgtenden 100 Minuten bleibt kein Stein auf dem anderen und die Temperaturen im K17 erreichen bedenkliche Höhen. Wie immer bei Headlinergigs reichern die Schweden ihre unverzichtbaren Standarts (u.a. 'Roswell 47', 'Fractured Millenium', 'Fire In The Sky', 'Eraser') und Neuwerke mit ein paar Raritäten an (u.a. 'Buried', 'Left To Rot' und 'Necronomicon'), was dementsprechend Neuzugänge, Gelegenheitshörer, Altfans und absoluten Fanatiker gleichermaßen bedient. Auch die Mischung aus epischem Midtempomaterial und schnellen Brechern stimmt, wodurch keine Stimmungslöcher entstehen, aber ab und an für Musiker wie Publikum gleichermaßen nötige Verschnaufpausen eingelegt werden. Tränensäcke-Of-Hell-Peter ist gut drauf und heizt die Meute mit einer lockeren Selbstverständlichkeit immer weiter an, dass einem das schon Bewunderung abringt. Selbst der Sound spielt mit, auch wenn die Truppe sich mal einen Livekeyboarder zulegen könnten, genug Einsatzstellen sind definitiv vorhanden und die ganzen Keyteppiche aus dem Off bringen unnötige Statik in die Performance. Das ist aber Jammern auf hohem Niveau, denn sicherlich geht kein HYPOCRISY-Fan heute enttäuscht nach Hause.
Felix Patzig

Donnerstag, 11. April 2013

Rebellion 4 - Berlin, Astra


Zum vierten Mal lädt die amerikanische Hardcore Größe Madball weitere
Hardcore Bands ein, um Europa zu zerlegen. Man hat sich auch dieses Mal nur das Beste aus Europas, Amerikas und Kanadas Szene besorgt. Nur der frühe Beginn (18:45 Uhr) sorgt dafür, dass das Astra anfangs noch relativ leer ist. Der Opener hat damit den schweren Stand, sämtliche Leute von der Bar, dem Merchandise Stand oder vom Raucherbereich langsam in die Halle zu holen, denn vor ca. 20 Leuten im Astra zu spielen, sieht einfach nach nichts aus.
THE SETUP aus Belgien müssen hier von Beginn an alles geben, damit alle scheuen Zuschauer die Halle betreten. Von Vorteil ist der wirklich gute Sound vom Astra. So können Frontmann Jef und seine Jungs zumindest etwas Luxus erfahren. Das Licht steigt nach zwei Songs auch ein und verhilft THE SETUP zu einem voller werdenden Publikum. Umso weiter das Set der fünf Belgier voranschreitet, umso mehr füllt sich nicht nur die Halle und umso mehr Bewegung lässt sich ausmachen. Und was ist bei einem Hardcore Konzert schon wichtiger als genügend Bewegung, v.a. vor der Bühne?

AYS aus Wegberg sind als nächstes dran und erleben erst einmal den Luxus, dass die Halle dank dem Opener noch gefüllt ist. Des Weiteren haben sie auch von Anfang bombastisches Licht. Nur mit der Bewegung hapert es noch etwas. Frontmann Schommer klingt auch zunächst so, als würde ihm häufig die Stimme versagen, was angesichts seines eigenen kleinen Marathons auf der Bühne niemanden wundert. AYS schaffen es aber nach und nach, das Berliner Publikum zu begeistern und in Wallung zu bringen.

YOUR DEMISE übernehmen und lassen auch gleich kein Zweifel daran, dass man hier noch eine Schippe drauflegen kann, was die Bewegung im Moshpit angeht. Ed McRae versucht immer wieder, das Publikum anzustacheln. Wirklich gut ist die Songauswahl der Briten. YOUR DEMISE lassen hier kein Album aus und von Hits wie ‚Born A Snake‘ und ‚Miles Away‘ lässt sich Berlin sogar zum ersten Circle Pit hinreißen. Auch der erste Kontakt mit den Fans wird gesucht, als Frontmann McRae auf die Barrikade steigt. Ein schlauer Fuchs wird gemerkt haben, dass sich YOUR DEMISE bis zum Ende die Songs mit den Clean Vocals aufgehoben haben. Bei ‚The Kids We Used To Be‘ merkt man auch warum. Ed McRae trifft fast keinen Ton und versaut somit etwas den wirklich guten Gesamteindruck der Briten.

Dann ist die Hardcorewalze schlechthin an der Reihe. TERROR hätten auch selbst den Headliner mimen können, so voll wie die Halle plötzlich ist. Während das Licht mehr oder weniger Pause macht, legt die Band gleich los. Mit Hits wie ‚Keep Your Mouth Shut‘ oder ‚Push It Away‘ trifft Scott Vogel und sein Quartett genau den Nerv der Fans. Das Einzige, was den TERROR Frontmann hier wirklich stört, ist die Barrikade vor der Bühne. Nutzten sie die Bands davor für zaghaften Publikumskontakt, befiehlt Vogel den Fans einfach die Barrikade zu ignorieren. Und mal ganz ehrlich – Eine Barrikade auf einem Terror Konzert? Das passt so sehr wie Justin Bieber Fans bei Manowar! Jetzt erklimmen Stagediver die Bühne und immer wieder wirft auch Scott Vogel sein Mikrofon einfach in die Menge. Solch Energie findet man nicht häufig. Nachdem weitere Hits wie ‚Always The Hard Way‘ oder ‚Spit My Rage‘ aus den Boxen dröhnen, wird das Set ordnungsgemäß mit ‚Keepers Of The Faith‘ beendet. TERROR erklärt die Bühne zum Herrschaftsbereich der Fans und in Windeseile befinden sich etliche davon auf der Bühne und feiern. Die Hardcore Streitmacht aus Los Angeles hat wieder einmal bewiesen, dass sie gemacht wurden, um live zu spielen. Berlin ist TERROR-Territorium!

Dass es nun die kanadischen Freunde von COMEBACK KID mehr als nur schwer haben, war klar. Die Halle ist nicht mehr so prall, viele brauchen vielleicht eine Verschnaufpause, doch der hartgesottene Kern steht auch zu ‚Do Yourself A Favor‘ vor der Bühne. Die fünf Jungs aus Winnipeg liefern hier auch gleich eine gute Show ab, aber noch ist das Terror-Feeling nicht erreicht. COMEBACK KID bringen die Menge mit Songs wie ‚False Idols Fall‘ oder ‚Broadcasting‘ langsam wieder auf Betriebstemperatur. Jedoch gibt es nicht mehr so viele Stagediver und auch der Moshpit hat an Größe verloren. Das kanadische Quintett stört das aber reichlich wenig, denn es bekommt trotzdem noch eine Menge Unterstützung. Planmäßig schießen COMEBACK KID noch ‚GM Vincent And I‘ nach, bevor es mit tatkräftiger Unterstützung des Publikums noch ‚Wake The Dead‘ gibt.

Kann MADBALL jetzt die Landsleute noch überbieten? Man kann gleich vorab sagen, dass die Halle noch leerer wird als bei Comeback Kid. Trotzdem zieht die Band noch genug Leute und legt mit ihrem Old School Hardcore los. ‚Set It Off‘ läutet die Show ein. Der Moshpit läuft zwar, aber das Tempo wird in angenehmen Maßen gehalten. Auffällig ist auch der etwas lasche Sound. Vorher wirkte das alles besser. Auch die Stimme von Freddy Cricien ist nicht immer die sicherste und das graue Haar bei Gitarrist Mitts schimmert auch durch. Werden MADBALL langsam alt? Keine Spur davon bei der Show. Freddy Cricien kommt immer mehr in Fahrt und auch der Sound wird besser. Band und Fans haben sich auch aufeinander eingegroovt. Jetzt wirken auch Hits wie ‚Demonstrating My Style‘ oder ‚All Or Nothing‘.Mit ‚Pride‘ verlassen MADBALL dann vorerst die Bühne, nur um noch einmal mit einer Zugabe in bester Old School Manier das Astra zu zerlegen und mit den gewohnten Worten ‚Hardcore Still Lives‘ das Publikum in den Berliner Nachthimmel zu verabschieden.

Abschließend bleibt nur zu sagen, dass Madball auch im vierten Teil ihrer Rebellion Tour ein Hardcore Fest aufgestellt haben, das seines Gleichen sucht. Falls sie einen Fehler gemacht haben, dann Terror vor Comeback Kid zu verfeuern. Doch jede Band hat an dem Abend alles gegeben und überzeugt. So bleibt nichts weiter zu sagen als „Hardcore Still Lives!“

Lars Nitsche

Samstag, 8. Dezember 2012

Live Review Motörhead – Velodrom Berlin


Lemmy ist zuverlässiger als das Christkind
Aaaaaaaaaaalle Jahre wiiiiiiiiiiiiiiieder kommt das Christuskiiiiiiiiiiiind...“. Ich kann mir nicht helfen, die Floskel drängt sich einfach auf, wenn jemand wie Lemmy am 24. Dezember Geburtstag hat und dann auch wirklich jedes Jahr im Dezember vorbei kommt. Ich will ja nicht munkeln, aber der Weihnachtsmann war nie so zuverlässig. Dennoch verwundert es, dass das Konzert zwei Mal verlegt werden muss. Nach der Columbiahalle und dem Hangar 2 ist also jetzt das Velodrom dran und lässt soundtechnisch das schlimmste befürchten (zu recht, wie sich während der Konzerte herausstellen soll). Ich bin selten in so großen Hallen und freue mich sehr über die riesige Anzahl an Garderoben (und vor allem darüber, dass ein großer Teil der Besucher sich auf nicht mal die Hälfte verteilt und ich meine weiter hinten gelegene mehr oder weniger alleine in Beschlag nehmen kann), während die meisten Fans sich mit Currywurst und Bier eindecken (beides natürlich total überteuert), sich das Merchangebot anschauen (ebenso überteuert, die Leute kaufen ärgerlicherweise trotzdem wie bescheuert) oder entgegen dem Klischee ihre grenzenlose Toleranz unter Beweis stellen, indem sie das unglaublich uninspirierte Geschrammel von DIARY OF A HERO mehr oder weniger klaglos ertragen und zwischen den Songs sogar Höflichkeitsapplaus spenden. Die Truppe hat offensichtlich entweder zu viel Geld (Stichwort: Pay To Play) oder die Musiker haben für diesen Tourslot Dinge getan, über die ich lieber nicht zu genau nachdenke – an ihrer musikalischen Qualität kann der Zuschlag jedenfalls nicht liegen.

Anthrax-Chef Scott Ian wieder
auf der Gewinnerseite
ANTHRAX haben es danach umso leichter und avancieren schnell zum Überraschungssieger des Tages. Kaum eine Thrash-Legende wurde in den letzten Jahren so effektiv abgewirtschaftet (mit Ausnahme von Sepultura), was weniger musikalische Gründe hat als an Scott Ians teilweise eher weniger genialen Geschäftspolitik liegt. Das heißt: Selbst wenn einem die Truppe nur noch schwer sympathisch sein kann, muss man ihre musikalische Leistung anerkennen. Und ANTHRAX nutzen die neue Chance, die sich ihnen erst mit dem Big4-Hype und nun mit der Motörhead-Tour ergibt. 'Caught In A Mosh' verfehlt als Opener seine Wirkung nicht, und die Amis haben mit einer Mischung aus alten Brechern (einschließlich der üblichen beiden Cover) und Material von ihrem aktuellen Album „Worship Music“ schnell alle auf ihrer Seite. Ersatzdrummer John Dette macht einen überzeugenden Eindruck, und Belladonna scheint auf Dauer tatsächlich die beste Wahl zu sein. So sieht eine gekonnte Rückmeldung aus.


Ein Energiepaket: Motörhead-Drummer Mikkey Dee
Was sind das für Arschlöcher, die Lemmy erst mal schön mit Bierbechern bewerfen? Halten die sich für cool? Haben sie Komplexe? Wollen sie Aufmerksamkeit? Ich hab hier einen ausgezeichneten Holzknüppel herum zu liegen, dessen ungeteilte Aufmerksamkeit kann dieses Gesocks gerne haben. Lemmy äußert sich in einer Ansage ähnlich begeistert. Nach einer kurzen Verzögerung durch diese Arschkrampen geht es also los, und man muss leider sagen, dass trotz des hohen Fansupports schnell klar wird, dass die aktuelle Tour nicht gerade eine Sternstunde in der Historie von Motörhead ist. Auf gerade einmal 75 Minuten Spielzeit (aufgerundet) kommt das Trio heute, die Setlist ist der pure Standard, Lemmy ist überhaupt nicht gut bei Stimme und auch Phil hat irgendwie schon mal gelungener soliert. Der Fels in der Brandung ist Mikkey Dee, dessen unglaublich kräftiger Punch selbst aus einer Schmuseballade noch ein Testosteronmonster machen würde und der seine Bandkollegen in seiner ganz eigenen Art durch den Set treibt und dabei wie immer einen Blick wert ist. Ansonsten bleibt festzustellen, dass MOTÖRHEAD (und vor allem Lemmy) halt auch nicht jünger werden und selbst diese schmiedeeiserne, kaum angreifbare Institution irgendwann bröckeln muss. Das Publikum gibt trotzdem alles (ein gut-Teil sieht die Band auch zum ersten Mal) und bereitet dem Konzert dadurch ein versöhnliches Ende. Ach ja, zu 'Overkill' stürmen Anthrax noch einmal die Bühne und feiern zusammen mit dem Headliner den Tourabschluss. Eine nette Geste, die den Zusammenhalt im Tourtross demonstriert.

Setlist Motörhead
  1. I Know How to Die
  2. Damage Case
  3. Stay Clean
  4. Metropolis
  5. Over the Top
  6. Doctor Rock
  7. Guitar Solo
  8. The Chase Is Better Than the Catch
  9. Rock It
  10. You Better Run
  11. The One to Sing the Blues (including Drum Solo)
  12. Going to Brazil
  13. Killed by Death
  14. Ace of Spades
  15. Overkill
Setlist Anthrax:
  1. Caught in a Mosh
  2. Fight 'Em 'Til You Can't
  3. Antisocial (Trust cover)
  4. Indians
  5. In the End
  6. Deathrider
  7. Madhouse
  8. Got the Time (Joe Jackson cover)
  9. The Devil You Know
  10. I Am the Law

Freitag, 7. Dezember 2012

The Devil's Blood Live Review – Festsaal Kreuzberg Berlin

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Kraftvoll wie selten: The Devil's Blood-Sängerin Farida
 Jetzt wollen es The Devil's Blood offenbar wissen – seit dem Erscheinen ihres Meisterwerks „The Thousandfold Epicentre“ tourt die Truppe mehr oder weniger Non-Stop und beehrt Berlin in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal. Das dabei weniger Leute anwesend sind als im Januar, ist neben dem kurzen Zeitabstand wohl auch der Tatsache geschuldet, dass statt den Undergroundhelden Urfaust die blutigen Newcomer Attic mit von der Partie sind. Schadet aber gar nix, ein bisschen Platz ist ja auch was feines.

Attic - Band hui, Sound pfui
Pünktlich um 21 Uhr stehen ATTIC auf der Bühne und machen auch sonst alles richtig. Trotz noch eher schwachem Sound und obwohl irgendein Vollidiot während des gesamten Auftritts die Pausenmusik laufen lässt (hört man deutlich in den Spielpausen) dreht das Quintett sofort auf und demonstriert eindrucksvoll, wie sehr Mercyful Fate ihrer Zeit voraus waren. Oder wie soll ich es sonst verstehen, dass die erste Welle der Nachfolger (bestehend aus Bands wie Portrait, In Sollitude und eben Attic) bis vor kurzem noch auf sich warten ließ? Die Gitarrenarbeit von ATTIC muss an dieser Stelle hervorgehoben werden, die Soli gehen runter wie Öl, gesanglich bleibt man hingegen noch ein Stück hinter den genannten Bands zurück. Das Publikum gibt sich zurückhaltend, spendet aber mehr als nur höflichen Applaus, so dass die Truppe den Auftritt definitiv als Sieg verbuchen kann.

Gut drauf und konzentriert bei der Sache:
Selim von The Devil's Blood
THE DEVIL'S BLOOD haben wohl genug von den gestrafften Sets der Festivalsaison und jammen mehr denn je – was sich auch im überraschenden und etwas sperrigenOpener 'House Of 10.000 Voices' niederschlägt, der auch keineswegs auf ungeteilte Zustimmung stößt. Ein interessantes Experiment, das dann mit dem mitreißenden 'Wings Of Gloria' aufgelöst wird. Der dritte Song 'Madness Of Serpents' ist meiner Meinung nach sowieso der Livehöhepunkt des aktuellen Albums und überzeugt auch heute mit einer unwiderstehlichen Mischung aus brachialem Riffing und verdrogten Jamparts. Neben der trotz Tourauftakt und heiserkeitsförderndem Wetter so gut wie selten singenden Farida ist dabei wie immer Chefdenker Selim der Blickfang der Truppe – der Mann grinst wie ein Honigkuchenpferd nachdem es seinen verhassten Reiter abgeworfen hat und und spielt einfach großartig. Ebenfalls auffällig ist heute das Drumming. Nachdem der Qualitätsunterschied zwischen den Konzerte zu „The Time Of No Time Evermore“ und denen seit der Veröffentlichung des neuen Albums bereits offensichtlich war, hat sich der (namenlose) Drummer inzwischen wohl komplett eingelebt und gibt gerade bei den sich steigernden Parts songdienlich noch eine ordentliche Schippe drauf. Bei den Jamsessions ist das Zusammenspiel besser denn je, weshalb es kaum stört, dass diese teilweise sehr gestreckt werden (einschließlich einem Song im Song bei 'The Heavens Cry Out (For The Devil's Blood)' und die Setlist sich dadurch kürzer liest, als das Konzert tatsächlich war – im Endeffekt kam einem das Konzert eh mal wieder viel kürzer vor, als die Uhr behauptet. Viel besser kann es wohl nicht laufen.

Setlist The Devil's Blood:
House Of 10.000 Voices
On The Wings Of Gloria
The Madness of Serpents
River of Gold
The Fire Burning
The Thousandfold Epicentre
The Time Of No Time Evermore
The Heavens Cry Out (For The Devil's Blood) (Mit integriertem Song)
Christ Or Cocaine

Setlist Attic:
Funeral In The Woods
Join The Coven
Satan's Bride
Edlyn
Ghost Of The Orphanage
The Invocation
The Headless Horseman

Bericht von Felix Patzig

Dienstag, 27. November 2012

Zodiac Live Review – White Trash Fastfood Berlin


ZODIAC sind mit einer Reihe Oldschool-Rock-Bands an die Oberfläche gespült worden, präsentieren sich aber dankenswerterweise auf CD durchaus als musikalisch offen und decken vom Blues bis hin zu Postrock Ausflügen alles ab, was man auf dem seinerzeit innovativen Siebziger-Rocksound aufbauen kann. Im White Trash soll die Truppe nun ihr Berliner Bühnendebüt geben – leider im Restaurant und nicht im Club. Das bedeutet kleine Bühne, kein Soundcheck, und bis kurz vor Beginn sitzen Leute vor der Bühne und essen. Als einfacher Konzertbesucher kommt man sich ein bisschen merkwürdig vor, wie man so zwischen den Tischen steht und auf den Auftritt wartet (22:15 reeler Konzertbeginn, und das innerhalb der Woche). Das alles ist aber wie weggeblasen, als der Vierer dann auf der Bühne steht und einen netten Querschnitt aus seinen beiden Veröffentlichungen zum Besten gibt. Der Sound ist erstaunlich gut, und es haben sich einige Die-Hard-Fans eingefunden, die die Musikern vom ersten bis zum letzten Ton abfeiern. Sänger und Gitarrist Nick ist ein sympathischer Frontmann, aber auch ein urkomischer Grimassenkünstler, während Bassmann Robert direkt aus dem Siebziger-Purple-Line-Up stammen könnte und Gitarrero Stefan komplett in seinem Gitarrenspiel aufgeht. Zu guter Letzt hält Drummer Janosch das extrovertierte Spiel seiner Kollegen gekonnt zusammen. Das ZODIAC sich in ihrer Musik eine eigene Identität erspielt haben (und das nach nur einem Album), macht sie extrem wertvoll, und ich für meinen Teil würde sie jederzeit von mir hochgeschätzten Bands wie Graveyard oder Orchid vorziehen. Mit der melancholischen Supernummer 'Coming Home' hat die Truppe zudem noch ein Ass im Ärmel, das für einen unerwarteten Höhepunkt sorgt.

Die Italiener WILDMEN sind heute der reguläre Headliner, machen Musik von Hipster für Hipster und sind dementsprechend ziemlich öde: Akkordfolgen, die schon kurz nach Entwicklung des Bluesschemas niemanden mehr interessiert haben, gleichförmige, identitätsfreie Songstrukturen, ein unglaublich lascher Sound (kein Bass, schwachbrüstige Gitarre) kurz: alles, was halt Pop ist und ich nicht leiden kann. Das einzige halbwegs interessante ist das Drumming, was die Songs aber auch nicht vor der Belanglosigkeit retten kann. Öde, und nebenbei nicht mal für unser Magazin relevant, aber der Vollständigkeit halber seien sie erwähnt.

Felix Patzig

Ostfront Live Review - Magnet Club Berlin

Photo by Star FM
Heimspiel für die kontroversen Knüppler von OST+FRONT im Berliner Magnet  Club. Nach den Geschichten über zensierte Videos und hartnäckigen Vergleichen mit einer großen deutschen Band bin ich nun doch sehr neugierig über das was da heute Abend passieren wird. Der Club ganz gut gefüllt, sicher auch aufgrund der späteren Party und des humanen Eintrittspreis.
Um 0:00 warten ca. 250 Leute unter betörenden Bratwurstdämpfen auf die Band, eine halbe Stunde später schreitet diese dann auf die Bühne, begleitet von mutmaßlich russischer Folklore und einem schrecklichen 140 herz Ton, der aber glücklicherweise bald verschwindet. Masken und Kostüme der sechs können sich  auf jeden Fall sehen lassen. Verstörende, bösartige Kreaturen eröffnen den musikalischen Reigen, der keinen Platz für Atempausen lassen sollte. Die ersten Songs wirken noch ein wenig gehemmt, auch weil das Publikum noch über das Gemetzel staunt, spätestens jedoch bei „Heimkind“ sind alle warm und es gibt auch erste Sprechchöre und Bewegungen im Publikum zu verzeichnen. Die restliche Show beeinhaltet nahezu alle Songs des Debütalbums „Ave Maria“  und mit zunehmender Spieldauer wurde die Performance immer besser und mitreissender. Eine Vielzahl von Melodien und Textzeilen bleiben im Kopf, ob man will oder nicht. Zur weiteren Unterhaltung dienen zwischendurch eine attraktive, tanzende Vodkaspenderin, fliegendes Grillgut und eine Freakshow vom kleinen Merchandise-Mann. Für mich persönlich lenkt das zu sehr von der Musik ab, aber dem Volk gefällt es.
Ein paar Worte zum Sound müssen verloren werden. Der Gesang wirkt  hintergründig, und es gibt sehr starke Hinweise das hier Playback Programm ist. Sehr schade!  Die Gitarren klingen zwar fett, aber seltsam undynamisch und müssen auch den ganzen Auftritt nicht einmal neu gestimmt werden. Dafür klingt der Bass schön knurrig und voll.
Ein paar Fragezeichen bleiben aufjedenfall übrig.
Nach knapp einer Stunde und 13 Songs ist der Spaß dann vorbei.  Zufriedener Applaus und Jubel verabschiedet die wortlosen OST+FRONT von der Bühne. Egal wie man zu ihrer Musik und dem unklaren Werdegang nun steht, die Band hat heute vieles richtig gemacht, Leute mitgerissen, Ohrwürmer verteilt und sicher neue Hörerschaft gewonnen.


Setlist:              
911
Heimat Erde
Dein Kanal
Heimkind
Dawaj, Dawaj
Denkelied
Fleisch
Nur für dich
?
Ein alter Mann
1&1
Gangbang
Ich liebe es


Review von Paul Der Schlitzer McGurk
Photo by Star FM

Samstag, 17. November 2012

Konzertbericht - Katatonia & Alcest , Huxley's, Berlin

Mit neuem Album "Dead End Kings" im Gepäck machen KATATONIA auf großer Europatournee auch in Berlin Halt. Motto des Konzerts im Huxley's: Größer, Perfekter, Beeindruckender.

Dank unpünktlichem Vorlesungsende und überpünktlichem Konzertbeginn betrete ich exakt zum Ende des Sets von JUNIUS den Saal. Persönlich juckt mich das nicht, da ich den Post-Rockern nicht viel abgewinnen kann; allerdings ist es auch nicht gerade einfach, aus den Gesichtern der Anwesenden heraus zu lesen, wie ihnen die erste Vorband gefallen hat.
Bei der zweiten Vorband, den Franzosen ALCEST, scheinen sich die Geister jedoch unweigerlich zu scheiden. Das Quartett um Frontmann und Mastermind Neige baut gefühlvolle, effektgeladene Gitarrenwände auf, die die spärlichen Gesänge fast vollends verschlucken und sich wunderbar mit dem wabernden Bühnennebel vereinen, der schon nach ein paar Minuten das gesamte Huxley's auszufüllen scheint. Vor meinem inneren Auge entstehen bei den langatmigen, jedoch zu keiner Sekunde langweiligen Songs felsige Küstenabschnitte, umringt von kalter Gischt und feinen Nebelschwaden (wobei sicherlich der Bühnennebel und die Raben-Deko von Katatonia einen unterschwelligen Einfluss auf mich haben). Schon während des ersten Songs "Autre Temps" habe ich beim Blick durch die Runde das Gefühl, dass viele der anwesenden Nicht-Metaller (und davon sind einige zugegen) sich mit der Pagan-/Prog-/Post-Mischung schwer tun. So gibt es nach dem ersten Song auch nur verhaltenen Applaus, der sich aber mit jeder weiteren Nummer immer mehr steigert. Zurecht am meisten bejubelt wird das umwerfend schöne "Percées de Lumière", welches zudem gut ein Drittel aller Anwesenden zum gemeinschaftlichen Headbangen animiert. Schade nur, dass "Summer's Glory" danach wieder etwas abfällt und den Drive des vorangegangenen Songs nicht weiterführen kann. Trotzdem ein überzeugender Auftritt der Franzosen, die sich damit sicherlich ein paar zusätzliche Fans (mich eingeschlossen) angeln konnten.
KATATONIA entern die Bühne während eines kurzen Intros, das nahtlos in "The Parting", den Opener des aktuellen Albums "Dead End Kings", übergeht, nach dem wiederum direkt "Buildings", ebenfalls vom aktuellen Album, folgt. Beide Songs bereiten dem Publikum aufgrund der komplizierten Rhythmen noch Probleme - möglicherweise besitzt auch nicht jeder Anwesende "Dead End Kings". Als nach kurzer Begrüßung durch Jonas Renkse mit "Deliberation" und "My Twin" aber zwei Gassenhauer von "The Great Cold Distance" folgen, taut das Publikum aber schon merklich auf. Leider nicht für lange, denn es gibt technische Probleme mit Per Erikssons Gitarre bzw. den Drahtlossendern der Musiker. Während die Techniker das Problem bewerkstelligen, lässt sich Renkse zu ein paar Scherzen mit dem Publikum hinreißen. Danach folgen in lockerer Reihenfolge neuere und ältere Songs, wobei die beiden ersten Alben "Dance Of December Souls" und "Brave Murder Day" wie gewohnt ausgelassen werden. Speziell die Songs der frühen 2000-er Jahre, z. B. "Teargas" und "Strained" werden hingebungsvoll vom Publikum aufgenommen und entsprechend bejubelt.
Die Band ist trotz der anfänglichen Technikprobleme und beginnendem Tourkoller ("Which day is it? Friday?") in bester Spiellaune und präsentiert sich performanceseitig stark gereift. Im Gegensatz zum letzten Berlin-Konzert Anfang 2010 ist die Bühnenpräsenz der Musiker stark gestiegen - hatten damals noch Anders Nyström und Per Eriksson das optische Übergewicht auf der Bühne, so ist anno 2012 auch Renkse beweglicher geworden und verzichtet während der gesamten 80 Minuten Spielzeit auf den Mikrofonständer, an dem er sich früher noch verzweifelt festgeklammert hat. Dezente Choreografie in den Bewegungen der Musiker erhöht zusätzlich die Präsenz, wodurch die (wie gewohnt) grandiose Lichtshow erstmalig etwas in den Hintergrund rückt.
Als das Konzert mit "Ghost Of The Sun", "July" und "Day And Then The Shade" seinen Höhepunkt erreicht, ist das Publikum schon längst Wachs in den Händen der Band. Kaum zu glauben, dass die früher so introvertierten Schweden - allen voran Jonas Renkse, dessen Offenheit heute echt erfrischend wirkt - ihr Publikum jetzt derart im Griff haben. Selbst die mehrere Minuten dauernde Technikpause zu Beginn wird vom Publikum großherzig und ohne einen einzigen Pfiff verziehen - toll! Die Zugabe mit "Dead Letters", "Forsaker" und "Leaders" kann sich überdies sehen lassen und als nach 80 tollen Minuten das Saallicht angeht, sieht man nur zufriedene Gesichter.

Review von Fabien Blackwater

Freitag, 2. November 2012

Primordial Live Review – K17 Berlin


Endlich erhören Primordial mein jahrelanges Flehen nach einer Headlinertour und besuchen die kleinen Clubs, anstatt sich irgendeinem Freizeitheidenfestival anzuschließen. Was sich die K17-Betreiber allerdings dabei gedacht haben, den Einlass zeitgleich mit dem parallel auf einem Floor stattfindenden Nachtblut-Konzert zu legen, erschließt sich mir nicht. Eine Schlange von der Länge einer Boa ist vorprogrammiert. Nach nervtötender Warterei kommt man rein, und der obligatorische Gang zum Merchstand ist diesmal durchaus angenehm, denn die Preise sind bei allen spielenden Bands sehr niedrig.

Angenehm sind auch die Holländer WELTSCHMERZ. Deren Mitglieder wirken auf der Bühne zwar eher niedlich als bösartig (was von den in schönstem Niederlandakzentsdeutsch vorgetragenen Ansagen nur noch unterstützt wird), musikalisch ist aber alles im grünen Bereich, und das Publikum reagiert zurückhaltend, aber wohlwollend.

VISIONARY666 hieven die Stimmung im inzwischen gut gefüllten K17 aber noch ein Stück höher. Ihre Mischung aus Behemoth-Präzisionsdrumming und Deströyer666-Rotzigkeit kommt von Anfang an gut an (obwohl auch diese Band längst nicht so böse aussieht wie ihre Musik). Das Quartett überzeugt in jeder Tempolage und könnte bald auch zu höherem berufen sein.

Vor PRIMORDIAL füllt es sich schlagartig, und die ersten Reihen sind auf einmal voll besetzt. Wie ihre beiden Vorgänger steigen die Iren mit einem pompösen Intro ein, bevor der Opener 'No Grave Deep Enough' angestimmt wird. Bereits vor dem ersten Ton wird das Luxusproblem der Instrumentalisten deutlich: Alle Blicke richten sich auf Sänger Alan, der seine Mitmusiker bereits zu Statisten degradiert, bevor er überhaupt ein Wort gesagt oder gesungen hat. Damit haben die einerseits die Möglichkeit, komplett in ihrem Spiel zu versinken, andererseits darf man an dieser Stelle auch kein zu großes Ego haben. Das ist bei dieser Musik aber sowieso eher hinderlich, denn trotz Alans überlebensgroßer Aura ist es das Gesamtkunstwerk das im Zentrum der Betrachtung steht. Und das ist mehr als geeignet, den Hörer auf eine rauschhafte Reise in altertümlich-zerstörerische Welten zu nehmen. Dabei wird vor allem eines deutlich: PRIMORDIAL arbeiten trotz ausschweifender Arrangements sehr songorientiert, den benutzt wird, was zur Stimmung passt und nicht, was der Genrekodex erlaubt. Zwischen unergründlicher Düsternis, vorstürmlicher Ruhe, aufpeitschenden Tsunamis, tiefer Melancholie und grimmiger Schlachtstimmung schaffen die Iren langsam wirkende, aber umso tiefer eindringende Stücke, die Mauern rücksichtslos wegreißen, um frei atmen zu können. Einer der Höhepunkte ist dabei einmal mehr das genauso majestätische wie auch dunkle 'As Rome Burns' mit seinem hypnotischen Mitsingteil, dessen mitreißende Stimmung Schwarzheimer und Freizeitheiden auf der ganzen Welt erfolglos zu imitieren versuchen. Den Unterschied macht, dass das Schlachtfeld hier nichts romantisches oder ehrenhaftes hat, sondern (und darin ist es typisch irisch) ein unwirtlicher Ort ist, den man nicht betreten möchte, wenn man es nicht muss (Kurze Rückkehr in die Realität: Wir sollten alle dankbar sein, wenn wir es nicht müssen, aber das nur mal nebenbei). Sehr viel direkter schlägt der vielleicht eingängigste Song der Truppe 'Empire Falls' in dieselbe Kerbe. Der beschließt auch heute wieder einem tosenden Orkan gleich den regulären Set, bevor sich PRIMORDIAL mit 'Heathen Tribes' noch einmal von ihrer querköpfigen Seite zeigen. Das Publikum weiß offensichtlich gerade das zu schätzen und bereitet der Band einen fantastischen Abschied, den die Musiker mit spürbarer Begeisterung und Stolz annehmen.


Setlist Primordial:
No Grave Deep Enough
Autumns Ablaze
Gallows Hymne
Bloodied Yet Unbowed
As Rome Burns
The Mouth Of Judas
The Burning Season
The Coffin Ships
Gods To the Godless
Empire Falls
Heathen Tribes

Felix Patzig

Montag, 29. Oktober 2012

Architects Live Review - Magnet Berlin


Nachdem man dieses Jahr schon für Rise Against als Support in Berlin war, wagen sich die Jungs von ARCHITECTS an ihre Headliner Tour. Mit im Gepäck ein volles Programm englischer Metalcore-Bands vom Feinsten. Der Magnet Club war zum Überquollen verdammt, und es war nicht nur voll und laut, sondern auch verdammt grandios!

Die Jungs von HEIGHTS, aus der englischen Hauptstadt betreten pünktlich um 20 Uhr die Bühne. Der Magnet Club ist jetzt schon knüppelvoll und alles tummelt sich vor der der Band. Das Quintett legt auch gleich los, und Sänger Alex Montgomery fordert die Fans von Beginn an auf, hier richtig mitzugehen. Zur Hilfe geht er auch vor die Bühne direkt zu Fans, die jetzt schon richtig warm zu sein scheinen. Nicht nur Headbanger sind zu sehen, sondern auch erste Crowdsurfer. Doch Berlin geht nicht nur ab, sondern kann auch die Texte mitsingen. HEIGHTS sind sichtlich begeistert über die Unterstützung der Hauptstadt und tun ihr Übriges für eine gute Show. So ist es auch keine Überraschung, dass die Londoner als erste Bands des Abends gleich eine Wall of Death ausprobieren. Diese erfreut sich nicht nur reger Beteiligung, sondern funktioniert auch richtig gut. HEIGHTS können sagen, dass Berlin die Reise wert war und bei diesem Support will man bestimmt gern wiederkommen.

Was nun bei WHILE SHE SLEEPS passiert, hat man bei einer Vorband nicht so erwartet. Die Aufsteiger schlechthin aus England ziehen beinahe mehr Zuschauer vor die Bühne als so mancher Headliner im Magnet Club. Kaum ertönt 'Dead Behind The Eyes', gibt es im Club kein Halten mehr. Sofort springen Stagediver von der Bühne und der Moshpit tobt. Lawrence Taylor, Sänger der Briten, brüllt sich die Seele aus dem Leib. Das ist allerdings verständlich, denn Berlin singt hier extrem laut die Lyrics mit. Die Band wirkt wirklich etwas überrascht über diesen Support, aber erscheint glücklich. Während der Sound voll und klar klingt, fallen nur die Backing Vocals etwas ab. Mat Welsh gibt zwar sein Bestes, zieht aber gegen die Soundwand und das Publikum den Kürzeren. Mit 'This Is The Six' haben WHILE SHE SLEEPS dann jeden in den Bann gerissen. Als dann noch 'Crows' angekündigt wird, dreht Berlin fast frei. Diese Stimmung wird für die zweite Wall Of Death am heutigen Abend genutzt. Als WHLE SHE SLEEPS dann mit 'Seven Hills' den Schlussakkord setzen, kann Lawrence Taylor nicht anders als selbst in der Menge zu surfen. Selten wurde eine Vorband im Magnet Club so gefeiert – Ja, es gibt sogar vehemente, aber leider ungehörte Zugaberufe. Gerne darf so eine Headliner Tour kommen.

Wer jetzt aber denkt, dass Berlin sich bei While She Sleeps völlig verausgabt hat und eventuell wieder einen Gang zurückschaltet, der hat die Rechnung ohne den Headliner gemacht. Kaum sind ARCHITECTS auf der Bühne, machen die Fans da weiter, wo sie bei der Vorband aufgehört haben. Die fünf Jungs aus Brighton halten sich zunächst noch etwas zurück und bestaunen, was da vor ihnen abgeht. Berlin ist laut, textsicher und vor allem bewegungsfreudig. Frontmann Sam Carter hat so auch schon früh das Verlangen, im Publikum zu surfen, und plötzlich springt sein Gitarrist auch noch hinterher. Berlin wird für diese Energie mit Krachersongs wie 'Learn To Live' oder 'Day In Day Out' belohnt. Sam Carter kann hier gar nicht anders als behaupten, dass es die beste Show der Tour sei. Angesichts der Fans, die hier alles in Schutt und Asche legen wollen, ist dies aber auch keine große Überraschung. Das Publikum ruht sich aber nicht auf den Lorbeeren aus, sondern dreht nur noch mehr auf. Zu 'Numbers Count For Nothing' gibt es einen großen Circle Pit durch den Magnet. Doch nicht nur die stagedivenden ARCHITECTS Mitglieder fühlen sich heute im Publikum wohl, sondern auch die Fans auf der Bühne. Bei 'Outsiders Heart' darf jeder noch einmal Stagediven, bevor es dann Wall of Death Part 3 an diesem Abend gibt. Auch die funktioniert reibungslos, und zufrieden lassen ARCHITECTS Berlin mit 'These Colors Don't Run' zurück. Auch hier werden die Zugaberufe leider überhört, aber eigentlich kann hier nur jeder zufrieden sein.
Es war ein Abend mit drei großartigen Bands, aber vor allem mit einem großartigen Publikum. Der Magnet hat förmlich geglüht und die Bands waren allesamt überwältigt von diesem Support aus der Hauptstadt. Man darf sich gar nicht ausmalen, wie voll es noch geworden wäre, wäre die Never Say Die Tour nicht am gleichen Tag. Dann hätte man diesen drei Bands wohl eine neue Location zukommen lassen müssen.

Setlist While She Sleeps:
1. Dead Behind The Eyes
2. The North Stands For Nothing
3. Our Courage, Our Cancer
4. Until The Death
5. This Is The Six
6. Trophies
7. Crows
8. Seven Hills

Setlist Architects:
1. Alpha Omega
2. Day In Day Out
3. Dethroned
4. Learn to Live
5. Daybreak
6. Follow the Water
7. Even If You Win, You're Still a Rat
8. Numbers Count for Nothing
9. Delete, Rewind
10. Outsider Heart
11. Devil's Island
12. Early Grave
13. These Colours Don't Run

Samstag, 27. Oktober 2012

Serj Tankian Live Review - Huxleys Neue Welt Berlin



Gilt für Securities eigentlich akademisches Viertel? Ich glaube, ich hatte noch kein einziges Mal einen exakt pünktlichen Einlass, irgendwas um 15 Minuten zu spät ist er immer. Dankenswerterweise kommt man heute reibungslos rein, was auch wichtig ist, denn bereits eine halbe Stunde nach Einlass geht die erste Band auf die Bühne. Also wenig Zeit, um mal kurz am Merchandise-Stand zu schauen (25 € pro Shirt, 10 € pro CD, die Vorbands sind billiger) und sich dann am besten gleich einen guten Platz zu suchen.

Wobei man zumindest auf das THE HOLLYWOOD ARSON PROJECT auch gut hätte verzichten können. Postrock von der ganz nervigen Sorte steht auf dem Programm, austauschbar, musikalisch lahm (wenn auch optisch engagiert), komplett überflüssig. Das ein Teil des Publikums den Kram auch noch gut findet, kann den Eindruck, dass die Truppe nur dabei ist, weil ein Teil auch bei Serjs Backing Band The Flying Cunts Of Chaos spielt, auch nicht wirklich abschwächen.

Bei VIZA (die sich wiederum einen Gitarristen mit The Hollywood Arson Project teilen) wird es für mein Empfinden nicht besser - was aber primär daran liegt, dass ich World Music halt nicht abkann. Das Septett wäre prima Standunterhaltung für den Karneval der Kulturen, und im Publikum steppt der Bär. Das ich die Songaufbauten und Klangbilder für unglaublich flach halte, ist dementsprechend mein Problem. Trotzdem, das Cover von The Doors 'Alabama Song' ist mit grenzwertig noch sehr wohlwollend umschrieben.

Dann betritt endlich SERJ TANKIAN die Bühne, und sofort fängt das Huxleys an, zu beben. Der Holzboden war schon immer gut dafür geeignet, dem Publikum beim Hüpfen einen zusätzlichen Adrenalinstoß zu geben, und Serj nutzt das mit dem Blitzopener 'Figure It Out' aus, um sofort klarzustellen, wer hier der Chef im Ring ist. Live profitieren viele Songs (u.a. 'Empty Walls', 'Occupied Tears' oder 'Feed Us') von einem erhöhten Härtegrad und einer engeren, fokussierteren Stilausrichtung, die dem Liveerlebnis entgegenkommt und im krassen Gegensatz zur Grenzenlosigkeit von Serjs Alben steht - ein reizvoller Kontrast, der dem Publikum zudem eine zu statische, an den Vorbildern festgeklammerte Interpretation der Hits erspart. Der Meister selbst glänzt neben seiner Stimme noch an der Gitarre, am Synthie, am E-Piano (letzteres bei der fantastsichen Zugabe 'Gate 21') und - natürlich - in seinen engagierten Politansagen, die zu dem Sänger mindestens genauso dazu gehören wie seine Stimme (und die nie in die Kloake der billigen Populismus-Parolen abrutschen - dieser Mann hat tatsächlich etwas zu sagen! Danke dafür!). Seine Mitmusiker - so fähig sie auch sind - können gar nicht anders, als neben dieser schillernden Ausstrahlung zu verblassen, obwohl Serj ihnen genug Platz einräumt und sich überhaupt nicht wie ein egozentrischer Superstar des Schlages Axl Rose benimmt. Die Fans wissen das zu würdigen und feiern nicht nur "Ihren" Star, sondern die gesamte Band komplett ab. Höhepunkt ist allerdings trotzdem der in der Zugabe verbratene System-Hit 'Aerials', bei dem die ganze Halle noch einmal komplett Kopf steht, bevor nach 90 Minuten Schluss ist.

Fazit: Solange Serj derartig intensive Konzerte gibt, werde ich für meinen Teil mir die überteuerten System-Tickets sparen.

Felix Patzig

Dienstag, 16. Oktober 2012

Redlake Circus Live Review – Rockhaus Berlin


In recht familiärem Umfeld geben Redlake Circus ihr letztes Deutschlandkonzert, das sie auch für eine DVD mitschneiden wollen. Der Eintritt ist frei, als Vorband sind die Kumpels und Local Heroes von Emmeleya eingeladen. Dennoch ist das Rockhaus recht locker gefüllt, was angesichts dessen, was folgt, ausgesprochen schade ist.

Denn EMMELEYA legen einen ausgesprochen guten Start in ihren einstündigen Set hin. Trotz einer gerissenen Saite bei Gitarrist/Sänger Daniel und dem erkälteten Basser/Zweitsänger Flo läuft alles rund und reibungslos, und vor allem 'My Equal' gewinnt in der Liveversion noch einmal ordentlich Druck. Danach zeigt sich, dass die Band sich aktuell ähnlich entwickelt wie ihre großen Vorbilder Opeth – hin zu den ruhigen Tönen. Während die dunkle und schwere Altlast '23:57:31' aus der Setlist geflogen ist, taucht ein recht entspannter neuer Song auf, der sich zusammen mit 'Shatter The Streaks' und 'Rain' zu einem verspieltem Mittelteil des Konzertes verbindet. Den Knüppel holen die fünf Berliner dann mit 'Never Red' aus dem Sack. Zwischen den Songs verhalten sich die Musiker typisch proggig ungestellt, aber ein bisschen schüchtern. Irgendwie muss man sie dafür einfach lieb haben.

RED LAKE CIRCUS schaffen es dennoch, da noch einen drauf zu setzen. Mit etwas Pantera-Groove und NuMetal, wahlweise noisigen oder atmosphärisch-ambienten Parts, ein bisschen Frickelfrickel, der einheimischer Folklore und einer Verbindung zwischen Heaviness und Leichtfüßigkeit, die mir so selten untergekommen ist, zünden die Mexikaner ein Klangfeuerwerk der Extraklasse. Auch optisch wird trotz Triobesetzung einiges geboten: Ein Tänzer in Totenkopfmaske tanzt meditativ über die Bühne und die Musiker verfügen auch für sich genommen über genug Ausstrahlung, um nicht auf den Exotenbonus angewiesen zu sein. Und obwohl Emmeleya eindeutig die sind, die den größeren Teil des Publikums mitgebracht haben, präsentieren sich RED LAKE CIRCUS als würdiger Headliner. Die natürliche, komplett unaufgesetzte Freude der Musiker über den Jubel und die Masse an Emotionen, mit der sie ihre Songs aufladen, macht es einfach, sie sympathisch zu finden. Das die Klangwerke alles andere als leicht verdaulich sind und dementsprechend beim ersten Hören kaum gefasst werden können, macht den umjubelten 75-Minuten-Auftritt nur noch beeindruckender. REDLAKE CIRCUS kehren nach diesem Konzert von vielen Glückwünschen begleitet nach Mexico zurück. Ich hoffe, dass die Band dort ihren Weg finden wird und möglichst bald nach Europa zurückkehrt.

Felix Patzig

Freitag, 12. Oktober 2012

Oomph! - Konzertbericht Huxleys Neue Welt Berlin

Im Rahmen ihrer „Des Wahnsinns fette Beute“Europatour sind die drei fleißigen Wolfsburger von OOMPH! heute zu Gast im schönen Berliner Huxley´s. Im Gepäck haben sie dabei ihr zur Tourgleichnamiges neues Album, an dem sich wahrlich die Geister scheiden. Von einigen  wird es sehr müde belächelt, von anderen als weitere musikalische Entwicklung der Band akzeptiert. Nicht nur ich bin somit sehr gespannt wie der neue Stoff live umgesetzt wird und beim Publikum ankommt.
Wie immer bei Oomph! Konzerten ist jenes Publikum bunt gemischt, es treffen die eingefleischtenälteren auf die neue junge Hörergeneration seit dem Durchbruchsalbum „Wahrheit oder Pflicht“

Doch der Reihe nach. Zuerst betraten nämlich pünktlich um 20Uhr die schwedischen Supporter von BLOWSIGHT die Bühne. Ihre Musik beschreiben sie selbst als einen Cocktail aus Punk, Metal und Hardrock. Gelobt von der Presse haben sie außerdem bereits viel Aufmerksamkeit mit ihrer Version von Lady Gaga´s Pokerface erhaschen können. Man merkte schnell, dass die vier einiges drauf haben, mit enormer Energie und Spielfreude versuchen sie die Berliner zu wecken. Leider sind noch viele Löcher in der Halle zu sehen. Das ist BLOWSIGHT aber egal, mit Leichtigkeit tragen sie ihre aus den genannten Genres bestehenden Songs vor, gespickt mit einigen flotten Sprüchen und Anekdoten, die bei den Zuhörern ankommen. Spätestens ab dem dritten Song „666“ können sich viele auch zustimmendes Kopfwippen nicht mehr verkneifen. Es folgen 2 Songs ihres im Oktober erscheinenden Albums „Live and Death“, die ebenfalls überzeugen. Der Coversong „Pokerface“ war dann für viele Besucher sicher das Highlight. Klasse, was man aus dem Song noch so machen kann! Anschliessend sucht dann der Sänger Nick Red, der im übrigen eine sehr gute Live-Stimme hat, noch Körperkontakt mit den Berlinern. Nach 45 Minuten endet eine abwechslungsreiche und unterhaltsame Show und unter viel Applaus machen sie dann die Bühne frei und haben sicher einige neue Sympathisanten gewonnen. Der Sound ist, bis zu diesem Zeitpunkt, zufriedenstellend, zwar natürlich noch nicht auf 100, aber man sollte trotzdem alles gehört haben.

Nach 20 minütiger Verschnaufpause heißt es dann passend zum rustikalen Bühnenbild: AHOI! Die Zwangsjacken waren gestern, die komplette Band entert in feinstem Seemannszwirn und begleitet von einem penetranten Schiffshorn die Halle. Nur Dero fällt etwas aus der Rolle und sieht dank roter Hose und Umhang aus wie ein gescheiterter Superheld , wird aber selbstverständlich mit dem größten Jubel empfangen. Den Kennern fallen sofort die Änderungen im Lineup auf. Zu Flux, Crap Dero und Livebassist Hagen gesellen sich nun Elfriede (Keyboard) und Okusa (Percussion) . Neuer Drummer ist ein gebürtiger Berliner, genannt Sivestri.


Die ersten 15 Minuten gehören den schnörkelosen Rocksongs. „Unzerstörbar“ ist hier als passender Opener gewählt und macht gleich klar, dass OOMPH! trotz vieler elektronischer Klänge auf dem neuen Album immer noch mit massiven Gitarrenriffs auf die Fresse geben können.So geht es auch mit den 2 folgenden Songs weiter. Dero permanent am rotieren, rennen und Springen auf der  Bühne. Viel Freude hat er ebenfalls an seiner eigenen Standtom neben dem Mic, mit der er diverse Schläge betont, in Anlehnung an seine früherer Zeit als Drummer. Auch Gitarrist Flux heute mit viel Bewegung, hab ihn so gar nicht in Erinnerung. Nach diesem Block ist wohl jetzt jeder in der Halle auf Betriebstemperatur. 2 Sachen fallen auf: Die ganze Band hat richtig Bock  zu spielen und ich behaupte das es auch am neuen Drummer liegt. Präzise und kraftvoll macht er der restlichen Band Feuer unterm Hintern, eine gute Wahl! Es folgt der erste Gruß ans Publikum und Dero entledigt sich
seines Umhanges. Weiter geht es nun mit einem echten Klassiker. „Das weiße Licht“ kommt live immer super, die sphärischen Klänge erzeugen Gänsehautatmosphäre. Passend dazu lässiges Arme schwingen von 80% der Halle, sah sehr gut aus. Etwas voller ist es zum Glück übrigens geworden, nur dezente Lücken, schätze so 1000 Leute anwesend.
„Bis der Spiegel zerbricht“ wird solide gespielt und fällt nicht weiter auf, spannender wird es dann beim Hit „Träumst du“. Kennt jeder, mag jeder und es wird zum ersten Mal die Festigkeit des Hallenbodens getestet. Der Sound bis hierhin übrigens tip-top, alles schön hörbar und im harmonischen Verhältnis, besonders beim Gesang kann man wirklich jedes Wort verstehen, was ja nicht immer der Fall ist.
Eingeschoben wird nun das sehr harte ältere Werk „Wunschkind“. Dero kündigt das zwar an, trotzdem sehe ich viele fragende Gesichter. Der Song kommt dann auch nicht wirklich gut an, keine Bewegung im Pulk, leider auch schwammig gespielt und zu „lieb“.
Mithilfe einer Anekdote über Rob Halfords Entdeckung der Heavy Metal Kluft wird zum tanzbaren Teil des Abends übergeleitet. Der an einen Bronski Beat Klassiker angelehnte Song „Kleinstadtboy“
ertönt und lässt kurze Discostimmung aufkommen. Da man dann gerade dabei ist und ja auch die Band passend erweitert hat, gibt es nun eine schöne Überraschung. Crap wechselt das Instrument und erzeugt zusammen mit Elfriede Synthiesounds zu den beiden EBM-Songs „Mein Herz“ und „der neue Gott“. Kaum zu glauben, damit hatte alles vor 20 Jahren begonnen! Vielen älteren Fans leuchten die Augen, auch Dero bemerkt süffisant: so tanzte man halt in den 90´! Damit haben wohl die wenigsten gerechnet.
Das OOMPH keine Experten für Balladen sind, zeigt der Song „Regen“. Dero wird nur vom Keyboard begleitet, hier bringt er eindrucksvoll seine (Live-)Gesangsqualitäten unter Beweis , trotzdem berührt er eher wenige. Im Anschluss wieder 2 obligatorische  Hits für jedermann, es wird endlich wieder gerockt auf und vor der Bühne. Das bei OOMPH! mittlerweile auch geschunkelt werden kann, zeigt dann „Seemannsrose“. Klamauk, Folklore der Einsatz eines Akkordeons sorgen für  belustige Stimmung. Hätte man sich sicher auch vor 10 Jahren nicht träumen lassen.
Nachfolgend verlangt die Band eine Wall of Death zum jetzt wieder düsteren „Mitten ins Herz“.Klappt leider trotz Erklärung so gar nicht, der Song lädt trotzdem zum bangen ein.
„Auf Kurs“ und „Sex hat keine Macht“ werden in musikalisch etwas abgespeckter Form wiedergegeben, was durchaus zu gefallen wusste. Der Einsatz einer Akustikgitarre, diverser Percussionselemente und groovige Basslines bringen schöne Abwechslung rein. Kurzzeitig in die Disco zurück geht es mit „2Schritte vor“. Musste wohl sein, da es ja die erste Single des neuen Albums ist.
Eine „Fuck you“ Botschaft geht an europäische Banken raus und ist der Aufhänger für „Sandmann“, ein ungewohnt politisch angehauchtes Lied mit dem weiteren Verweis auf 3 Millionen
armutsgefährdeter Kinder in Deutschland. Das fällt dann jetzt doch sehr aus dem Rahmen und löst auch kaum Reaktionen aus. Das Set beendet der Song, der solch ein Konzert erst möglich machte. Bei ihrem Riesenerfolgssong „Augen Auf“ ist sich dann wieder die gesamte Besucherschaft einig, und endlich kann man auch mal junge Männer bei tüchtigen Leibesübungen beobachten. Die Band gibt nochmal alles und verabschiedet sich vorerst mit viel Dank von der Bühne. Das Verlangen nach  Zugabe scheint aus der Mode zu sein, trotzdem gibt es natürlich noch einen kleinen Nachschlag. Und was für einen. Frontmann Dero beweist, dass er durchaus auch als Travestiekünstler  erfolgreich sein könnte. In rotem Kleidchen tänzelt er säuselnd zu „Aus meiner Haut“ um dann den Refrain brachial und maskulin zu intonieren. Zu guter Letzt gibt es noch einen schönen Gruß an alle Castingshows , „Gott ist ein Popstar“ beendet das bunte Treiben, Band und Fans geben nochmal alles, mit gegenseitigen Liebesbekundungen verlassen OOMPH! Um 23Uhr die Bühne.
Fazit: OOMPH! Sorgen mal wieder für einen großartigen Abend. Ein ausgewogenes und überraschendes Set, welches alte und neue Fans einsammelt, wurde in einer bissigen und energiegeladenen Show präsentiert. Ihre konsequente musikalische Entwicklung/ Wandlung ist sicher streitbar und nicht jedermanns Sache, aber live macht es immer wieder Spaß. Auf die nächsten 20 Jahre!

Setlist:
Unzerstörbar
Labyrinth
Mein Schatz
Das weiße Licht
Bis der Spiegel zerbricht
Träumst du
Wunschkind
Kleinstadtboy
Mein Herz
Der neue Gott
Regen
Niemand
Gekreuzigt
Seemannsrose
Mitten ins Herz
Auf Kurs
Sex hat keine Macht
2 Schritte vor
Sandmann
Augen auf
Zugabe: Aus meiner Haut & Gott ist ein Popstar


Gastautor: Paul "der Schlitzer" McGurck

Samstag, 6. Oktober 2012

Lacrimosa Live Review – Postbahnhof Berlin


Vor 13 Jahren lieferte LACRIMOSAS Tilo Wolff einen bemerkenswerten, wenn auch bei der Fangemeinde nicht ungeteilt geschätzten Gastauftritt auf Kreators „Endorama“ ab, und Mille revanchiert sich auf dem aktuellen Lacri-Album „Revolution“ mit einigen Gitarrenspuren, mit denen er in kollegialer Zusammenarbeit mit Stefan Schwarzmann (Drummer von Accept) dem Album den nötigen Schmiss gibt. Zusammenarbeiten wie diese haben bei LACRIMOSA Tradition – anstatt wie einige Genrekollegen Keyboard-Arrangements zusammenzubasteln, um Orchestralität zu suggerieren, arbeitet man mit einem echten Orchester, und nutzt neben dem riesigen Klangkörper auch gleich noch die geballte Fachkompetenz. Die Folge: Die Stücke glänzen mit einer von vielen Bands gewollten, aber nur von einigen wenigen erreichte Tiefe. Hart gemeinte Stücke marschieren straight in Dimmu Borgir-Gwässer (allerdings mit dem einwilligen Gesang von Tilo), epische versprühen mehr als zweitklassigen Soundtrack-Charme, den man viel zu häufig hört. Dabei wirken die beiden Stammmusiker auf Außenstehende eher wie musikalische Leiter als wie Alleinherrscher (denn wozu sucht man sich Experten, wenn man dann doch alles alleine macht?) und erreichen eine Tiefe und musikalische Reife, die ähnlichen Bands häufig verwehrt bleibt.

Wer auf dieses Konzept blickt, kommt von selbst drauf, dass auch live geklotzt statt gekleckert wird. Das fängt bei der Setlist an: „Als wir das neue Album fertig hatten, hab ich mich so darauf gefreut, die Stücke live zu spielen. Aber wir haben ja auch ein paar alte Stücke, also hab ich eine Setlist geschrieben, die dann halt drei Stunden lang wurde.“ Das ist eine leichte Übertreibung, doch die zweieinhalb-Stunden-Marke knackt das Konzert locker (ob die Autogrammpause dazwischen jetzt sein musste, sei mal dahingestellt). Das aktuelle Album wird umfangreich bedacht, wobei vor allem 'Wenn du Hilfe brauchst', 'Feuerzug', 'Rote Sinfonie' und der aufgrund eines Videodrehs zwei Mal gespielte Titelsong ordentlich Stimmung entfachen. Zusätzlich gibt es einen Querschnitt durch die Karriere der Band, die live zum Quintett anwächst. Songs wie der Rausschmeißer 'Feuer', 'Ich bin der brennende Komet' (als Opener) oder 'Stolzes Herz' werden von der superben Liveband in Konzertversionen veredelt, wobei kein Instrument heraussticht, da alle gleichermaßen sehr gefühlvoll und songorientiert spielen, aber auch genügend Raum bekommen, um ihre Fähigkeiten voll ausleben zu können (in Balladen werden gerne mal Scorpions-artige Gitarrensoli eingebaut). Leider fällt eine Gitarre zeitweise aus, was gerade die instrumentalen Alleingänge in diesem Zeitraum behindert. Keyboarderin Anne Lurmi (neben Tilo einziges festes Mitglied) agiert routiniert und überzeugt am Keyboard, hat aber ihre Schwächen im etwas dünnen Gesang. Das Problem hat Tilo nicht. Um ihn dreht sich die gesamte Aufmerksamkeit, was einen in meinen Augen ungerechtfertigten Schatten auf seine Mitmusiker wirft. Zwischen den Songs ist er nicht gerade der Meister der großen Worte und gibt sich etwas schüchtern, gesanglich brilliert er jedoch fast durchgängig, stößt selten an seine Grenzen und hat nebenbei astreine Chris Barnes-Growls drauf (seine mittigen Shouts sollte er sich dagegen klemmen). Auch am Klavier macht das Wöllfchen eine gute Figur.

Erstaunen tut mich das Publikum – es herrscht längst nicht die Bewegung, die ich erwartet hätte, und auch die Textsicherheit ist geringer als erwartet – und das nicht nur bei den neuen Songs. Liegt es daran, dass LACRIMOSA sich in Deutschland im Vergleich zu Bands wie Eisbrecher oder Subway To Sally eher rar machen, oder sind die Songs tatsächlich schwerer mitzusingen? Jedenfalls hält sich die Stimmgewalt der Fans in starken Grenzen (anders als der Applaus). Erst mit der Zeit fangen einige Leute zu tanzen an. Das ist aber auch nur eine Randnotiz, und zumindest beim Rausschmeißer 'Feuer' ist dann doch ganz gut was los. Alles andere wäre dem heutigen Abend aber auch nicht gerecht geworden.

Felix Patzig

Live Review Bethlehem – K17 Berlin

Entwicklung ist eine feine Sache, solange sie in Maßen geschieht. Und in diesem Sinne sind die drei Progressiven, die hier zusammen auf Tour gehen, in jedem Fall ein Gewinn für die Szene, auch wenn das „Alles nach Transilvanian Hunger ist eh Kommerz“-Fanatiker sicherlich anders sehen. Auf letzteres ist es wohl zurückzuführen, dass sich der Publikumsandrang etwas zurückhält. Dabei sind Kommerzgedanken bei Betrachtung von Merchpreisen und Eintritt definitiv fehl am Platz.

 DORDEDUH bieten als besonderes Angebot ihr erstes Album „Dar De Duh“ bereits vor dem offiziellen Release an, und können auf der Bühne auch musikalisch überzeugen. Auf Platte kommen die Ex-Negura-Bunget-Recken nicht an die Großtaten ihrer alten Band heran (zu denen definitiv auch das letzte, ohne die beiden aufgenommene Album zählt), live dagegen entfachen die Songs eine sehr viel stärkere Wirkung und lassen noch großes erhoffen. Die Musiker vereinen in vorbildhafter Weise Begeisterung und echte Emotionalität mit einer astreinen Performance (allein über die Beckenarbeit des Drummers und das Tapping des Bassisten kann man ganze Abhandlungen schreiben), Man rangiert in jedem Fall meilenweit über allem, was die Verbindung von Black Metal und Folk außerhalb von Rumänien hervorgebracht hat – und schließt dabei langsam aber sicher die Lücke zur Ex-Band.

Dennoch setzen SECRETS OF THE MOON da noch locker-leicht einen drauf. Die fortschrittlichen Düsterheimer erreichen noch nicht ganz ihre übliche Präzision, können sich dafür vor Spielfreude kaum halten. Sowas nennt man erster Tourtag, und ich für meinen Teil könnte so was ruhig häufiger haben. Auch die Setlist hat einiges zu bieten: 'Blood Into Wine' macht den Anfang, 'Lucifer Speaks' umnd 'Seraphim Is Dead' sind immer wieder gern gehörte Standarts, 'Serpent Messiah' ist auch live der Höhepunkt der neuen Platte, 'Shepherd' ist eine handfeste Überraschung – also alles da (dumm nur, das mein persönlicher Liebling 'Miasma' zwar auf der Setlist steht, aber nicht gespielt wird). Das Publikum ist irgendwie lahm, was die Musiker dankenswerterweise überhaupt nicht zu stören scheint.

 BETHLEHEM sind gegen diese zweifache Übermacht nur ein laues Lüftchen. Bis auf die Schießbudenfigur am Gesang (da hatte die Truppe auch schon bessere) könnte die Truppe rein optisch gut einem Ostrock-Revival entsprungen sein. Gut, wenn die musikalische Leistung stimmt, von mir aus, aber auch die kann als, sagen wir mal, höchst umstritten angesehen werden. Zwar ist technisch alles im grünen Bereich, aber der Ausdruck der Instrumentalisten wird den gespielten Songs definitiv nicht gerechnet und stinkt im Vergleich zu unzähligen, von BETHLEHEM beeinflussten Bands klar ab (als Verglich kann man wohl mal wieder Shining strapazieren). Auch sonst tendiert die Ausstrahlung der Musiker gen Null. Das macht den Auftritt noch nicht schlecht, denn gute Songs sind und bleiben gute Songs, aber als jemand, der mit hohen Erwartungen an den Gig herangeht (und die Truppe in letzter Zeit nicht live gesehen hat), fällt es schwer, nicht enttäuscht zu sein. Das hier ein Positionstausch zwischen BETHLEHEM und Secrets Of The Moon mehr als angebracht gewesen wäre, versteht sich von selbst. Im Übrigen wird die Setlist auch hier stark gekürzt, da der Curfew des K17 beachtet werden muss. Schade darum ist es nicht wirklich.

Felix Patzig

Setlist SECRETS OF THE MOON:
Blood Into Wine
Seraphim Is Dead
Serpent Messiah
Lucifer Speaks
Nyx
Shepherd
The Three Beggars

Setlist BETHLEHEM:
The 11th Commandment
Vargtimmen
Berührung meiner Nemesis
Aphel – Die schwarze Schlange
Schatten aus Alexander Welt
Du sollst dich töten
Tagebuch einer Totgeburt

Donnerstag, 4. Oktober 2012

La Dispute Live Review - Fritz Club, Berlin


Die unkonventionelle Post-Hardcore Truppe von LA DISPUTE macht auf ihrer Europa Tour an einem Samstagabend Halt in der Hauptstadt. Mit im Gepäck ist ein Programm voller Bands verschiedener Musikrichtungen, und alles versprach ein erfolgreicher Abend im Postbahnhof zu werden. Betritt man nun aber 18.30 Uhr den Club zum Einlass, so sieht man zunächst nur wenige Menschen. Langsam füllt sich der Club, doch als INTO IT. OVER IT. die Bühne betritt, wird es endlich voller und der Abend kann beginnen.

Wer INTO IT. OVER IT. nicht kennt, der ist bei dem ersten Anblick verwirrt. Nur ein Barhocker steht auf der Bühne, und auch nur ein Kerl platziert sich dort. Ja – INTO IT. OVER IT. besteht nur aus einer Person. Evan Weiss! Der beginnt mit einer einfachen Akkustikgitarre aber sofort die Menge in den Bann zu ziehen. Zwischen den Songs gibt Evan immer wieder kleinere Anekdoten über sich und die „Band“ zum Besten. Auch Scherze mit der Lichttechnikerin sind mit vom Programm. Doch INTO IT. OVER IT. begeistert nicht nur mit Charisma, sondern klingt auch noch klasse. So unterhaltsam wünscht man sich einen Konzertbeginn.

Mit MAKE DO AND MEND kommt nun ein Quartett der rockigeren Art aus Connecticut als radikaler Gegensatz zu Into It. Over It. Endlich ist der Postbahnhof auch gut gefüllt und kann sich sehen lassen. Kaum haben die vier auf der Bühne begonnen, starten auch schon die ersten Stagediver. Jetzt ist endlich auch Bewegung im Publikum angesagt. MAKE DO AND MEND zeigen sich sichtlich beeindruckt und dankbar über diesen Support des Publikums. Da kann auch ein kleines Tonproblem (Ironischerweise beim Song 'Lucky') nichts gegen ausrichten. Richtig laut wird es dann aber, als La Dispute Sänger Jordan Dreyer MAKE DO AND MEND bei einem Song mit seiner unverwechselbaren Stimme aushilft. Doch auch ohne weitere Unterstützung rocken MAKE DO AND MEND hier den Postbahnhof.

Anhand der Masse, die sich jetzt vor der Bühne versammelt, könnte man meinen, dass der Headliner jetzt schon dran wäre. Dabei kommt vor den Jungs aus Michigan noch TITLE FIGHT. Mit einem ruhigen Intro betritt der Vierer aus Pennsylvania die Bühne, nur um dann richtig loszulegen. Nicht nur die Jungs auf der Bühne, sondern auch das Publikum geht vollends mit. Stagediver springen von allen Seiten von der Bühne und auch vor der Bühne herrscht rege Bewegungslust im Pit. Sänger und Bassist Ned Russin wirkt dabei etwas schüchtern, als er die Fans darauf hinweist, dass man doch bitte Rücksicht nehmen soll. Berlin nimmt natürlich Rücksicht aufeinander. Allerdings kann es da schon einmal vorkommen, dass man im Eifer des Gefechts das Mikro von Sänger und Gitarrist Jamie Rhoden beim Stagediven umreißt. Beim letzten Song '27' ist nun kein Halten mehr und Berlin brüllt sogar die Lyrics lautstark der Band entgegen. Ein voller Erfolg für TITLE FIGHT aus Pennsylvania.

Und schnell wird es wieder leer vor der Bühne. Es verwundert schon, dass sich nach Title Fight die Reihen lichten. Doch als der erste Ton von den Headlinern anklingt, füllt sich der Saal wieder. Es ist auch nur verständlich, dass man nach drei großartigen Supportacts kurz mal frische Luft schnappen will. Man muss ja schließlich für LA DISPUTE wieder fit sein. Die fünf Jungs kommen auch relativ unspektakulär auf die Bühne, doch das war es auch schon, was an diesem Auftritt unspektakulär war. Das LA DISPUTE auf den Platten schon unkonventionell und für manche merkwürdig klingen, weiß man, aber erst Live entfaltet sich die Größe der Songs. Die emotionalen Passagen der Songs, sei es 'Said The King To The River' oder 'Harder Harmonies' kommen live erst richtig zur Geltung. Immer wieder lässt Jordan Dreyer auch das Publikum Passagen mitsingen, und das ist nicht nur textsicher, sondern vor allem auch laut. Wer nicht mitsingen kann, der betritt entweder den Pit oder headbangt mit. Zumindest steht niemand ruhig da. Die ekstatische Performance des Quintetts wird gefeiert und mit viel Applaus belohnt. Die Stagediver machen währenddessen dort weiter, wo sie bei Title Fight aufgehört haben. Doch ehe man sich versieht, kündigt LA DISPUTE mit 'Andria' den letzten Song des Abends an. Es wird noch einmal alles gegeben und jeder auf und vor der Bühne holt alles aus sich heraus. Doch noch lässt Berlin die Jungs aus Michigan nicht gehen. Schon während des Sets wurde vehement 'King Park' gefordert. Schnell kehren die Jungs zurück und geben Berlin das, wonach es schreit. Nachdem zunächst nur Jordan Dreyer und Gitarrist Chad Sterenberg noch zu zweit das Publikum einmal zur Ruhe kommen lassen, wird dann mit 'King Park' das große Finale eingeleitet. Der Saal bebt und tanzt, schreit und stagedived, was das Zeug hält. Als dann der letzte Part des Songs einsetzt ist Berlin voll und ganz da und singt mit Jordan Dreyer mit. So hinterlässt LA DISPUTE ein sehr zufriedenes Berlin und eine Menge glücklicher Fans.

Man hat es ja nicht oft, dass bei einem Konzert mehr oder weniger vier verschiedene Musikrichtungen aufeinandertreffen, doch genau das ist hier passiert. Noch seltener ist es dann, dass alle so überzeugen können. Sei es nun durch Charisma, Energie oder pure Emotionen, heute ist jeder auf seine Kosten gekommen – und das für nicht einmal 20 Euro! Abschließend kann man fernab der Bühne noch erwähnen, dass pro gekauften Artikel am Merchandise Stand ein Euro der Anti-Nazi-Kampagne zugutekam.
Lars N.

Dienstag, 2. Oktober 2012

Asphyx Live Review - Hof 23, Berlin

Nennen wir das Kind beim Namen: Das Konzert ist mit mäßig besucht noch sehr
wohlwollend umschrieben. Und nennen wir auch den Schuldigen beim Namen: Die an der Abendkasse verlangten 21,50 (die sogar noch eine Preisreduktion darstellen, angekündigt waren 26,50) sind für eine Band mit zwei lokalen Supports ganz schön viel. Auch die Promotion war nicht das Gelbe vom Ei, richtig bekannt war der Gig nicht. Daraus resultiert ein knapp halb volles Haus.

Bei PORTA INFERI kann der Sänger sogar zu jedem Besucher einzeln gehen. Das tut er dank schnurlosem Mikro auch, ebenso wie einer der Gitarristen. Dazu heizen die blutverschmierten Kerle die Stimmung mit Songs aus der Schnittmenge zwischen Death Metal und Grind an und passen damit perfekt zum Headliner. Ihre Spielfreude ist überschäumend, und selbst wenn die eine oder andere Songidee nicht so zwingend ist, machen die Neubrandenburger („Die Stadt der tausend Wasserleichen“) das mit viel Einsatz wieder wett.

Dagegen passen FIRST AID mit ihrem Oldschoolthrash nicht so recht ins Billing. Der Fünfer genießt Heimvorteil und glänzt mit viel Engagement, allerdings fehlen noch ein paar Songs oberhalb des Genredurchschnitts, um länger als eine knappe halbe Stunde lang interessant zu sein.

Die gibt es bei ASPHYX wiederum zu Genüge. Die Holländer konzentrieren sich auf ganz neues und ganz altes Material, wobei der Fokus auf dem großartigen aktuellen Album „Deathhammer“ liegt. In über 100 Minuten (!) schießen ASPHYX aus allen Rohren, verkörpern dabei aber immer den liebenswerten Death Metal-Kumpel, der zwar heftige Musik mit Kriegslyrics spielt, aber ansonsten ein ganz freundlicher und gemütlicher ist. Vor allem Martin Van Drunen kommt mit seinen deutschen Ansagen einfach unheimlich knuffig rüber, kann aber auch manchmal fies werden („Wir sollen 'M.S. Bismarck' spielen? Den haben wir schon gespielt, bist du taub oder hast du da grad Raucherpause gemacht?“). Eben erwähnter gehört zusammen mit 'Minefield', 'Der Landser', 'Last One On Earth', 'Asphyx (Forgotten War)' und 'Deathhammer' auch zu den Höhepunkten der Show. Bestärkt werden diese Songs durch einen extrem lauten und drückenden Sound, der in den ersten Reihen die Ausmaße eines akustischen Tsunamis erreicht. Ein derartiger Druck ist auf Festivals gar nicht zu erreichen! Die Band spielt nicht unbedingt tight, gleicht das aber durch ihre Spielfreude und ihren Einsatz aus. Die Performance ist ein Tritt gegen das Schienenbein aller Leute, die behaupten, dass Death Metal immer hundert Prozentig präzise klingen muss – ASPHYX sind das nicht mal annähernd, dafür sind sie hundert prozentig lebendig. Da ist es nur logisch, dass das Publikum trotz seiner zahlenmäßigen Unterlegenheit eine ordentliche Lautstärke erreicht. Und natürlich kann man die Musiker nicht ohne Zugabe gehen lassen. Diese lautet 'Last One On Earth' und entlässt ein durchgeschwitztes, aber glückliches Publikum in die Nacht.

Fazit: Eine der besten Death Metal Bands, die zu bekommen ist!

Mittwoch, 29. August 2012

Knorkator - Zitadelle Spandau, Konzertbericht

Knorkator
25. August 2012
Zitadelle Spandau

Ein Jahr nach dem Comeback haben sich KNORKATOR das bisher größte Projekt ihrer Karriere vorgenommen: Als Köpenicker die Spandauer Zitadelle mit vier Stunden Programm und mehreren tausend Menschen zu füllen. Und man kann ruhigen Gewissens behaupten: Der Versuch ist grandios geglückt!

Unter dem Motto "Knorkator & Freundinnen" hat die Band zahlreiche (vorwiegend weibliche) Freunde, Verwandte und Bekannte eingeladen, mit ihnen den Abend zu bestreiten. Als erster darf Knorkator-Gitarrist Buzz Dee mit seiner Truppe BUZZ DEES ran, was ihm folgerichtig eine Bemerkung darüber wert ist, wie ungewöhnlich es doch sei, sich selbst zu supporten. Nichtsdestotrotz liefern Buzz Dee (g, v), Jagschn (g), Knäcke (b) und der Morgenstern (d) einen überzeugenden Auftritt ab und werden von den Knorkator-Fans entsprechend abgefeiert. Die Songs des Debütalbums "Mitkomm!" sind von bodenständiger hardrockiger Qualität; mit pentatonischen Blues-Gniedelsolos und dem knallfetten Groove des ehemaligen In-Extremo-Drummers. Zwar sind die Texte teilweise arg ostrockig-jazzig verschwurbelt ("Rhabarbermost"!), dennoch strahlen sie in Kombination mit Buzz Dees augenzwinkernden Ansagen einen ungeheuren Charme aus, der wohl einen Großteil der Anziehungskraft der "ältesten Newcomer 2011" ausmacht.

In den - zum Glück nur sehr kurzen - Umbaupausen erscheinen Stumpen und Alf Ator auf der Bühne, um im Stile althergebrachter Conférenciers das Publikum durch den Abend zu geleiten. Um diesen Abend zu etwas ganz Besonderem zu machen, wollen sie sich selbst ein paar Wünsche erfüllen, erklären die beiden Bandchefs, während sich hinter ihnen das Swingorchester "Die Damenkapelle" aufbaut. Stumpens Wunsch nach Unterhaltung im Zwanziger-Jahre-Stil kommt die achtköpfige Band mit Hüftschwung, exzellent arrangiertem Bläsersatz und reichlich Erotik (seitens der adretten Sängerin) nach. Mit Rumba, Tango und Bossanova - gemischt mit Swing und Dixieland - intonieren die Damen "Ich hasse Musik", "Der ultimative Mann" und "Geld", während sich Stumpen einige Tanzzuckungen vor Freude nicht verkneifen kann.

Anschließend wird kurz Stumpens 48. Geburtstag gefeiert; seine elfjährige Tochter Agnetha hat sich überreden lassen, Adeles "Rolling In The Deep" darzubieten, wozu eine Freundin ausgelassen tanzt. Frenetischer Applaus.

Direkt danach ist Alf Ator mit Wünschen dran; nach Stumpens Aussage soll Alf nicht umsonst Musik am Konservatorium in Schwerin studiert haben, denn er habe das vergangene halbe Jahr damit verbracht, Knorkator-Songs für ein klassisches Streichseptett zu arrangieren. Die Formation "Sieben auf einen Streich" trägt diese vor, während Alf Ator wahlweise verträumt auf einem Bühnenpodest liegt, zu "Weg nach unten" am Piano begleitet bzw. die Sopranistin Gisela für die "Absolution" auf die Bühne bittet. Gisela ist deutlich anzumerken, wie sehr sie sich angesichts des Textes das Lachen verkneifen muss - dennoch liefert sie eine umwerfende Performance ab, die an Stimmgewalt und Gänsehautfeeling alles andere an diesem Abend in den Schatten stellt. Der Applaus könnte nach anfänglicher Skepsis kaum größer sein und vollkommen zurecht wirft sich Alf anschließend vor ihr auf den Boden.

Ein weiteres Interludium durch das Streichseptett wird von Nick (d), Rajko (b) und Buzz Dee zum Entern der Bühne genutzt, dann geht es nahtlos in den ersten Song. Tosender Beifall des Publikums; das Vorprogramm zog sich doch ganz schön hin. Während Elzi & Co. in Windeseile die Notenpulte, Kabel und Stühle der klassischen Musiker von der Bühne holen, springt Stumpen bereits in einem himmelblauen Latexanzug am Bühnenrand herum. Schlag auf Schlag werden die Hits in das Quadrat des Zitadellenhofs geschmettert, wobei alle sechs Alben der Band gleichwertig behandelt werden; auf "Schmutzfink" folgt "Klartext" folgt "Extrawurst" und so weiter. Es gibt keine Verschnaufpause.

In für Zitadellenverhältnisse nachbarschaftsunfreundlicher (einem solchen Rahmen aber zum Glück angemessener) Lautstärke werden die knapp 8.000 Fans beschallt, während die Bühnendarbietung von gewohnt einzigartiger Qualität ist - egal wie viele Knorkator-Konzerte man schon gesehen hat, stets wird man von neuen Ideen überrascht und begeistert! Im Laufe des zweistündigen Konzerts werden zahlreiche Gäste auf die Bühne gebeten; u. a. darf Alf Ators Sohn Tim Tom "Arschgesicht" singen (was er mit viel Spaß und Hopsenergie tut). Für einige Songs kommt zusätzlich zu Buzz Dee die Gitarristin Jen Majura auf die Bühne, die Variété-Künstlerin Nora ("Nörchen") sowie Tiger Lilly Marleen und die beiden Backgroundsängerinnen "Mussnusch" und "Nussmusch" begleiten die Band und auch Agnetha darf noch mal ran und zusammen mit Tim Tom das "Kinderlied" singen. Tiger Lilly macht zudem eine gute Figur, als sie anstelle von Stumpen bei zwei Songs die Leadstimme singt und im großen Luftblasencrowdsurfduell gegen Nora gewinnt. Zum Schluss dürfen die zierlichen Damen Äxte und Baseballschläger in die Hand nehmen und drei Heimorgeln zertrümmern, während Jen ihre Gitarre zerkloppt, Alf Ator auf Stumpens Kopf einen Fernseher zerschlägt und Nora im Vordergrund Feuer spuckt - mehr Unterhaltung auf engem Raum geht nun wirklich nicht. Knorkator sind und bleiben "Deutschlands meiste Band der Welt" - Entertainmentkönige sind sie schon längst.

Review von Fabien Blackwater

Sonntag, 17. Juni 2012

Callejon Live Review - Magnet Club Berlin

Eine ca. 50 Meter lange Schlange vor dem Magnet Club. Ein großer Bus in der Straße und ein „Ausverkauft“ Schriftzug über allen Postern. Das konnte nur heißen, dass CALLEJON ihren Stop in Berlin auf der „Willkommen in der Sackgasse“ Tour machen. Die Organisation im Magnet Club war jedoch klasse und so waren pünktlich zum alle Fans im Magnet Club.

Um 20.30 Uhr durfte man das neue Projekt von Nico (K.I.Z.) bewundern. Mit WASSBASS sollten Dubstep und Drum’n’Base Klänge den Magnet Club erhellen. Als Germans From The Future angekündigt legten sie auch gleich los. Man hatte zwar relativ schnell die Kopfnicker, jedoch nicht mehr. Der Applaus fällt zwar gut aus, doch Bewegung ist anfangs eine Seltenheit. Die Anspielung auf Terminator „Wir sind Germans From The Future und sind hier um Sarah Connor zu töten“ bringt den beiden Berlinern aber einige Lacher ein. Die sympatischen Songtitel wie ‚Sex auf Toilette‘ oder ‚Nukleare Winteferien 3012‘ hören sich sehr sympathisch an und die Musik wirkt tanzbar. Allerdings kann auch das Elektro Cover von J.B.O.s „Bolle“ nur wenig Bewegung in die müden Knochen der Berliner zaubern. WASSBASS geben auf der Bühne alles und prangern sogar den Städtestolz an. „München ist mehr abgegangen“ platzt es aus Nico, doch auch jetzt bleibt Berlin starr. Erst als beim letzten Lied ‚Kokain‘ Basti auf die Bühne kommt, fängt Berlin an aufzutauen. Mit Basti an ihrer Seite können WASSBASS endlich tanzende Menschen bestaunen, was schade ist, da eigentlich das ganze Set gut war, auch wenn die Musik natürlich nicht zu CALLEJON passte. Nach ‚Kokain‘ ging man dann etwas abrupt von der Bühne und lies Berlin mit Vorfreude auf die Headliner zurück.
Zwei Blitzkreuze zieren die Bühne sowie ein alter Schrank mit vier Röhrenfernsehern. Ohne großartiges Intro kommen die fünf Jungs von CALLEJON dann auf die Bühne und legen gleich mit ‚Porn From Spain‘ los. Der eigentliche Abschlusssong wird nun als Intro genommen und das verspricht viel für diesen Abend. Nico darf natürlich seinen Rap Part selbst singen und nun bestaunen, wie es aussieht, wenn der ausverkaufte Magnet Club jede Textzeile mitsingt. Selbst beim neuen Song ‚Koyote Ugly‘ wirkt Berlin schon textsicher, dabei war das Album gerade einmal einen Tag draußen. Sogar erste Crowdsurfer darf man bewundern und das im kleinen Magnet Club. Doch genau dieser kleine Club ist lautstark wie eine große Halle und übertönt fast die gesamte Band. Auch CALLEJON freut sich wieder in einem kleinen Club zu spielen. Das Quintett schafft es sogar, dass Berlin beim Elektro Part von ‚Dieses Lied Macht Betroffen‘ zu tanzen beginnt. Die Bühnendeko kommt beim Song ‚Blitzkreuz‘ richtig zur Geltung, als sowohl auf den Kreuzen als auch auf den Fernsehern das Video eingespielt wird. Die großen Pausen zum Gitarrenwechsel nutzt Frontmann Basti gekonnt um zu erzählen wie „geil“ er das Publikum findet oder um lustige Geschichte von Obdachlosen zu erzählen, die ihm in Berlin begegnet sind und „Willkommen an Land“ zurufen. Er kann aber auch die Fans dazu bringen wie eine Meute Zombies zu gröhlen um ‚Zombified‘ einzuleiten. Allgemein wirkt Basti sehr in Erzähllaune. So darf sich eine glückliche Dame in der ersten Reihe freuen von Basti und dem gesamten Club freundlich gegrüßt zu werden. Allerdings passieren dabei auch Fehler, so sagt man den einen Song halt früher an und teased so das Publikum etwas. Das vertreibt sich derweil bei ‚Kinder der Nacht‘ mit einer Wall of Death die Zeit. Dann darf doch ‚Snake Mountain‘ kommen und He-Man sowie  Skeletor schmücken die Blitzkreuze und die Fernseher. CALLEJON denkt trotz der vollgepackten Setlist noch an die Fans und verteilt immer wieder spendabel Wasser. Es ist aber auch extrem heiß im ausverkauften Magnet Club. Die fünf Düsseldorfer schaffen es sogar, dass man sie ausbuht, aber wenn Berlin rufen soll, dass sie gerne Mark Medlock hören, treffen auch die fünf sympathischen Düsseldorfer auf taube Ohren. Mit ‚Sommer, Liebe, Kokain‘ verabschiedet sich die Band fürs erste, aber nur um kurz Luft zu holen. Mit einem selbstgebastelten Scheinwerfer Helm kehrt Basti auf die Bühne zurück und dann haut das Quintett den Berlinern noch kurz ‚Videodrom‘ um die Ohren. Mittlerweile gehört sogar das Cover von ’Schrei Nach Liebe‘ von DIE ÄRZTE zum Programm von CALLEJON. Der alte Punk Song kann sich durchaus im Metalcore Gewand sehen lassen, genau wie die anschließende Ansage gegen Faschismus. Für den Abschluss heben sich die fünf Jungs jedoch ‚Porn From Spain 2‘ auf. Und siehe da, sogar ganz K.I.Z. sind im Magnet Club um ihre Parts selbst zu rappen. Mit der SLIPKNOT „Hinsetzen-und-Springen“ Aktion geht ein großartiger Abend nach 2 ½ Stunden Musik zu Ende.
Die Berliner Fans sind keineswegs enttäuscht, da die Setlist von vorne bis hinten mit Hits gefüllt war. Kein Album kam zu kurz und die Band hat immer alles aus sich rausgeholt. Die Bühnendeko war ein weiterer Pluspunkt und wer bei dieser Hitze nicht geschwitzt hat, der hat klar etwas falsch gemacht. Wenn man den Magnet Club anfangs vielleicht als zu klein angesehen hat, so war er letztendlich doch die genau richtige Entscheidung. Der kleine Club wurde zerlegt und CALLEJON kann auf einen weiteren erfolgreichen Gig bei ihrer „Willkommen in der Sackgasse“ Tour verbuchen.

Setlist CALLEJON:

Porn From Spain
Koyote Ugly
Lass Mich Gehen
Dieses Lied Macht Betroffen
Blitzkreuz
Zombiefied
Bevor Du Gehst
Kinder Der Nacht
Snake Mountain
Und Wenn Der Schnee
Vergissmeinnicht
Sommer, Liebe, Kokain
Videodrom
Schrei Nach Liebe (Die Ärzte Cover)
Porn From Spain 2

Review von Lars N.