Sonntag, 14. März 2010

Shining Live Review K17


Live Review
Berlin, K17 – 13.3.2010
Shining, Sarkom, Svarttjern

Woran mag es liegen, dass Shining diesmal soviel weniger Karten verkauft haben als noch vor einem Jahr? Letztes Jahr konnte man im Clubraum spielen und hat die Hütte dabei ziemlich gut voll bekommen, dieses Jahr reicht es nur für den Floor – das mag auch am weniger bekannten Vorbandgespann liegen. Eine Band vom Schlage Koldbrann oder Urgehal fehlt, stattdessen dürfen Sarkom (die letztes Jahr als Opener dabei waren) und die mir unbekannten Svarttjern heute das Publikum erhitzen. Das Interesse scheint an beiden recht groß zu sein, jedenfalls ist der Floor schon früh ziemlich gut bevölkert. Ein kleiner Stand verkauft Metal Allerweltskram, während der Shirtstand der Bands hinten versteckt liegt, aber dennoch gut Absatz macht.

Norwegischer Black Metal mit Obertruenessfaktor ist schon lange nicht mehr innovativ, macht aber ohne Zweifel häufig Spaß. So auch bei SVARTTJERN, bei denen neben Bathory und Immortal auch Kiss als Einfluss ziemlich herausstechen – Zumindest was die Art des Auftretens angeht. So ist der Auftritt auch unbedingt unterhaltsam, auch wenn die Truppe auf CD vermutlich eher dröge ist.

Daran können SARKOM problemlos anschließen. Ist das wirklich dieselbe Band, die vor ungefähr einem Jahr ebenfalls im Vorprogramm von Shining so tierisch langweilig war? Damit ist es heute dankenswerterweise vorbei. SARKOM machen von Anfang an gut Stimmung und ziehen die Fans sofort nach vorne. Die Haare fliegen und die Fäuste werden in die Luft gereckt. Als dann auch noch Shining Fronter Kvarforth und HansFyrste von Svarttjern auf die Bühne kommen, um einen Song gemeinsam zu singen, ist die Stimmung komplett am Siedepunkt. Das war ein Triumphzug wie ich ihn dieser Band nicht zugetraut hätte.

Auch der Auftritt von SHINING verläuft etwas anders als man erwartet hätte - die Tendenz geht weg von der Gewalt und hin zur Publikumsnähe und zu emotionalen Ansagen von Kvarforth. Das tut dem Auftritt definitiv gut, denn es fällt einem leichter, sich von der Musik entführen zu lassen, wenn man nicht mit Ablenkungen zu kämpfen hat. Kvarforth wirkt gegenüber dem letzten Konzert wie ausgewechselt. Wo er letztes Jahr noch ein gewalttätiger Psychopath war, so wirkt er heute zwar immer noch fertig und schwer verletzt, aber auch geläutert und sich seiner Umwelt bewusster. Das wirkt sich auch auf das Konzerterlebnis aus, aber nicht etwa verweichlichend, wie man im ersten Moment trugschlussfolgern könnte. Hass, Depression und Misanthropie liegen immer noch in jedem Ton, die Veränderung liegt woanders – der Auftritt wirkt einfach noch emotionaler als sonst, wenn das überhaupt möglich ist. Das verhindert nicht, dass er den souverän aufspielenden Neuzugang am Bass immer mal wieder triezt, ihn an den Haaren zieht und seine Zigaretten auf ihm ausdrückt, und auch die anderen Bandmitglieder kommen immer mal wieder in den „Genuss“ seiner Späße, doch sind diese eher harmloser Natur. Stattdessen bedankt sich Kvarforth ausgiebig beim Publikum, stößt mit einem Rollstuhlfahrer mehrfach an und lacht auch manchmal – ohne dabei jemanden zu bedrohen. Da ist es auch angenehm, dass es keine Störenfriede gibt, die Kvarforths Laune wieder umschwingen lassen können.
Die so intensiv vorgetragene Musik sind heute vor allem Werke der letzten beiden Alben, mit nur wenigen älteren Werken – z.B. „Submit to Selfdestruction“ – angereichert. Bei „Plagoande O'Helga Plagoande“ darf Sarkom Kreischmeister Unsgaard mitbrüllen, den „Popsong“ „Ohm (Sommed Med Siv)“ widmet Kvarforth in einem der emotionalsten Momenten des Auftritts seiner kürzlich verstorbenen Mutter, deren Name, Geburtsdatum und Todestag er sich auf den linken Oberarm tätowieren lassen hat. Weitere Höhepunkte sind „Låt oss ta allt från varandra“ als offizieller Rausschmeißer und „Besvikelsens dystra monotoni“ mit Moshpit sowie dem direkt angehangenen „Neka morgondagen“, in dem der sowieso schon den ganzen Abend starke Kvarforth gesanglich einfach nur brilliert. Dazu kommt noch ein neuer Song, der für mein Verständnis sehr vielversprechend klingt: ziemlich eingängig, mit einem gewissen Rock’n’Roll-Einschlag, ohne die Trademarks der Band zu vernachlässigen. Auch der traurige Klargesang taucht wieder auf.
Eine Zugabe kann es an sich nicht geben, denn die Band konnte mit ihrem neuen Bassisten nur die Setlist proben, also zocken sie nachdem der Saal nach Shining brüllt, noch eine Zugabe ohne Bass, während der Bassist Bananen und Mandarinen ins Publikum schmeißt – ob die Band kein vitaminreiches Catering mag? Die Szene wirkt irgendwie grotesk, ein finsterer Spaß, der dieses denkwürdige Konzert gebührend beschließt.

Fazit: Wenn man nicht gerade zu Shining Konzerten geht, um sich die fragwürdige Show anzusehen, wurde man heute mehr als vorbildlich bedient. Ein so emotionales Konzert erlebt man selten, und dafür tausche ich Blut und Gewalt gerne ein. In dieser Form gehört diese Band zur Spitze von dem, was der Metal live zu bieten hat.

Review von Felix

3 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Kvarforth is der gleiche Psychopat wie eh und je. Das hat er ja auch eindrucksvoll letzte Woche in Erfurt unter Beweis gestellt, als er eine deutsche Fahne auf der Bühne anzünden wollte:
http://www.youtube.com/watch?v=JShxYJ2HM78

Lars hat gesagt…

Zum Shining Konzert: ich habe sie vor wenigen Jahren (vor 2, oder 3?) im K17 gesehen als sie noch die "Sau rauslassen" durften. Der Reiningstrupp im Kasi hat es der Band damals sicher nicht gedankt, ABER das Konzert damals war nicht nur ein Konzert, es war eine perfekt umgesetzte Dramatik, ein musikalisch untermaltes Szenario, etwas, das in seiner künsterlerischen Ganzheit weit über vielen reinen Konzerterlebnissen stand. Ein Jahr später habe ich Shining erneut gesehen - ohne Bühnenshow. Das ganze war strunzendlangweilig - es war einfach nur noch ein Konzert, wie tausend Andere. Woran es liegen mag, dass sich Shining so verändert haben, wie Ihr es vom diesjährigen Konzert beschrieben habt? Nun ich denke einfach, Niklas Kvarforth wird auch älter und "reifer" (so lange ist der Mann ja noch nicht volljährig...), die Poserei ist oft ein Opfer dieses Prozesses, andererseits zeigt es aber auch für mich, dass nach Abklingen des "Depressive Black Metal" - Trends eben jede Band hart darum kämpfen muss, die wenigen Fans zu behalten - und vielleicht offenbart das ganze auch, wie wenig echt und authentisch die, auch damals von mir als sehr einmalig empfundene - Show eigentlich war. Blackmetal kopiert sich für mich seit Jahren nur noch selbst und verbleibt in sich selbst als rein musikalische Jugendkultur, ohne tieferen Sinn und Verstand.

Felix hat gesagt…

@metal guardian: Ich finde, das zwischen dem Anzünden einer Fahne (egal welcher) und dem Verprügeln von Fans und Mitmusikern ein nicht ganz unerheblicher Unterschied liegt. Inzwischen gibt es sogar eine Entschuldigung (http://blogs.myspace.com/index.cfm?fuseaction=blog.view&friendId=86383379&blogId=530716023), das wär vor nicht allzu langer Zeit absolut undenkbar gewesen.

@Lars: Das darfst du gerne so sehen, ich sehe es anders. Speziell Shiningkonzerte sind für mich echte Rauscherlebnisse...solange man nicht gewaltsam aus diesem Rausch herausgerissen wird. Das war z.B. letztes Jahr im K17 der all, als Kvarforth auf einen Zuschauer losgegangen ist (Ja, ich weiß, der hatte ihn vorher provoziert) und dadurch Aggressionen geschürt hatte, dieses Jahr dankenswerterweise nicht.

Up the Irons
Felix