Live Review
Berlin, Lido – 13.10.2010
Emil Bulls, The Dreams, Sonic Delivery
www.emilbulls.com
www.myspace.com/emilbulls
Da möchte doch mal jemand fälschlicherweise behaupten, aus Deutschland käme keine gute Musik mehr. Als die Klosterschüler Christoph von Freydorf und James Richardson sich 1995 dazu entschlossen ihre Kreativität mittels Alternative Metal auszuleben, hätten sie womöglich nie die folgenden Jahre voller Erfahrungen erwartet. Doch wie vom Schicksal vorgesehen: Bereits zwei Jahre später erzielen sie beim Emergenza Nachwuchswettbewerb den dritten Platz, Island Records werden Aufmerksam und die Geschichte nimmt ihren Lauf.
Nun, nach mittlerweile 7 Studioalben, 2 Liveplatten, 4 Label und 3 Umbesetzungen lassen sich die Münchner Emil Bulls mit 15 Jahren Bandbestehen nicht mehr klein kriegen.
Bereits im Oktober 2009 feierten sie ihre noch immer aktuelle Platte „Phoenix“, mit der dazugehörigen Tour. Und nun, ein Jahr später, öffnet man erneut die Türen des Lido.
Als Unterstützung holt man sich die Dänen The Dreams sowie die Schweizer Sonic Delivery dazu, und schafft damit einen Abend des Alternativen Genres, welchen man hoffentlich nicht so schnell wieder vergessen wird.
Ohne lange Umschweife beginnt das Spektakel dann auch schon. Bis auf sechs Leute vor der Bühne hält sich der halb gefüllte Raum im hinteren Bereich auf und beschaut sich die drei Schweizer ruhig und zurückhaltend.
Durch die sehr dominanten Drum- und Basseinstellungen, ist der Sound etwas anstrengend und macht es schwer sich ein angemessenes Urteil über Sonic Delivery und ihren Alternative Rock zu bilden. Was sich auch mit der intensiven Belichtung nicht wirklich als angenehm gestalten lässt. Dennoch finden Songs wie „Forgive Me“, melodisch ruhig, einen gewissen Anklang.
Sänger Lars fühlt sich eindeutig wohl mit jedem Ton den er Richtung Publikum schickt und auch Gitarrist Sascha macht sich gut mit den Backgroundvocals. Zwischen den Songs wird gut unterhalten, dennoch ein wenig zu oft die Herkunft der Jungs wiederholt, und auch die Bewegungen, wie zum Beispiel als Sascha die Basssaiten von Lars spielt, lockert alles angenehm auf. Schnell wird man dann erneut von den extrem aufdringlichen Lichteinstellungen abgelenkt.
Allerdings bekommen sie zum Ende hin doch noch eine Menge Applaus. Der letzte Song „A Thoussand Years“, von ihrer ersten EP mit gleichem Titel, wird angespielt. In den Strophen orientiert man sich ehr balladisch, geht im Laufe des Chorus jedoch schon rockiger vor und hinterlassen letztendlich eine guten Eindruck. Mit diesem Auftritt haben sie sich etwas zurückgehalten, dennoch lassen sie in Zukunft hoffentlich Mehr erwarten.
Auf geht’s in die zweite Runde mit den Dänen The Dreams. Als sie sich auf die Erhöhung begeben, machen sie optisch schon einmal einen interessanten Eindruck. Punkig mit leichtem Horror Touch ließen sie sich in die Ecke, zusammen mit The 69 Eyes oder auch My Chemical Romance stellen.
Was die Fülle an Fans betrifft, wird man auch unerwartet überrascht und noch mehr als die ersten kreischenden Töne von vorwiegend weiblichen Gästen an die Ohren dringen.
Musikalisch legen die vier Jungs ein sattes Maß an melodisch punkigem Alternative Metal heran und erinnern auch hiermit sehr an My Chemical Romance, nur mit ein wenig mehr Pop. Aber: Das Licht brennt immer noch in den Augen und auch das Schlagzeug macht es schwer sich auf die Gesamtkomposition zu konzentrieren. An der dominant dröhnenden Bassdrum hat sich immer noch nichts geändert, so das die Frage aufkommt: Ist der Tontechniker auf Drogen?!
Allerdings schaffen The Dreams es trotzdem mit Songs wie „Black Sheep“ eine super Stimmung aufzuwirbeln und nicht nur die Frauen im Raum zum Tanzen und Schmachten zu bringen. Als sich dann aber auch Tracks wie „This is Not a Love Song“ in die Setlist einreihen, wird schnell klar: Das ist wahnsinnige Geschmackssache. Während nicht zu wenige auf der Tanzfläche ihre Begeisterung zum Ausdruck bringen, setzten ebenso viele eine leicht genervte Mimik auf. Und als sich dann verabschiedet wird, lässt sich eine gewisse Erleichterung, auch meinerseits, nicht leugnen.
Nun aber Schluss mit dem zweitklassigen Nachwuchs, der sich die Mühe machte….
Der Soundcheck zieht sich eine ganze Weile hin, was allerdings auf besseren Sound als bei den Vorgängern hoffen lässt. Obwohl „Phoenix“ bereits vor einem Jahr erschien, hat man den Eindruck, dass sich diesmal wesentlich mehr Fans dazu hinreißen ließen, Emil Bulls zu unterstützen und ihnen mit einer nahezu ausverkauften Show den perfekten Tour Start zu liefern. Im Hintergrund laufen die Klassiker von Tina Turner und aus „Das A-Team“ und die Masse zeigt sich in aufgeregter Feierlaune.
Dann ist es auch schon soweit. Die Band begibt sich nacheinander auf die Bühne; Sänger Christoph „Christ“ von Freydorf, in schlicht schwarzem Hemd und wie gewohnt mit Cap, nimmt seinen Platz ein und sofort wird mit „Here Comes the Fire“ losgelegt. Sogleich legt die Meute mit einem Moshpit vor. „Christ“ schreit ins Mic als gäbe es keine Morgen und man ist erleichtert, dass sich der Sound um einiges verbessert hat.
Die Zeilen „now that the damage is done….” werden mit lautstarkem Händeklatschen begleitet, bis die letzten Takte gespielt werden und sich die ersten Schweißperlen auf den Gesichtern der Musiker blicken lassen.
Weiter geht’s mit dem bekannten Kracher „The Most Evil Spell“ und der tanzenden Meute. Aus dem Meer von Fans wird lautstark mitgesungen, wobei sich die kraftvollen Screams über alles erheben. Auch Kompositionen wie „Wolfsstunde“ in Verbindung mit „Ad Infinitum“ erschaffen eine beeindruckende Atmosphäre. Melodisch beginnen die Gitarrenriffs und der Gesang und schlagen schnell zum Abriss um. Bis sich der Pit dann bei „The Architects of My Apocaplypse“ absolut ekstasich gestaltet, sodass dem Gedränge vor der Erhöhung schon Luft zugewedelt werden muss.
Es ist einfach unfassbar wie die Stimmung immer weiter steigt und auch die Showperformance zunimmt.
Nach dem sechsten Stück wird ein Fan aus dem Publikum auserkoren einen CirclePit auf der KOMPLETTEN Tanzfläche zu starten. Dies klappt, ohne viele Worte zu wechseln, einwandfrei – Natürlich alles ohne Musik! Doch es wird nicht abgelehnt, als die Nachfrage kommt: „Braucht ihr dazu Musik?“ Und sogleich dröhnt „Nothingness“ aus den Boxen und euphorisch wird die Party weiter betrieben. Die Musiker, bis auf Drummer Klaus Kössinger, springen auf und ab und lassen ein unerschöpfliches Maß an Power aufleben. Trotz der steigenden Temperatur lässt sich niemand ermüden!
Nun sieht man in dem Meer aus Händen auch das erste Mal die Schaumstoff-Finger, die es zuvor am Merchstand zu „erwerben“ gab. Doch wirklich viele scheinen sich davon nicht überzeugen zu lassen, wodurch sich die Idee des Managers, die Teile doch für 5€ zu „verscherbeln“ als äußerst lachhaft darstellt. Das es sie dann letztendlich für volle 2 Euros gibt, schafft es auch nicht zu überreden, also werden sie kurzer Hand einfach in die Menge geworfen und der Spassfaktor steigt.
Bei „Leaving You With This“ greift Herr von Freydorf dann selbst zur Gitarre und das gesamte Lido geht ab! Die tanzende Menge erstreckt sich bis an die Seiten und überall wird lautstark mitgesungen. Der Übergang zu „Smells Like Rock N Roll“ wird dann hervorragend mit Synthies gemeistert. Der Frontmann schafft es immer wieder zu begeistern, indem er sich eben mal mit einer Windmühle an der Gitarre probiert oder sich das Moshen auf der Bühne bei Krachern wie „All in Tune With the Universe“ nicht nehmen lässt. Auffällig ist auch, wie publikumsnahe man sich hier gibt, als man sich immer wieder fast in die ersten Reihen legt.
Nachdem sich inzwischen satte 12 Kracher zu der Setlist zählen, kommt langsam die Frage auf: „Könnt ihr überhaupt noch?“ Dies kann natürlich, trotz der steigenden Temperatur, nur einstimmig mit JA beantwortet werden. Worauf auch gleich mit „Nothing in This World“ nachgelegt wird. Selbstverständlich reicht bei diesem mitreißend, aussagekräftigem Stück ein simpler Pit nicht aus! Im Duett spielen Sänger und Drummer mit den Fans die Zeilen: “hungry at heart / there´s nothing in this world that we couldn´t do” bis sich „Christ“ entschließt: „Weiter singen und dabei auf die Knie gehen!“ Und während das gesamte Lido hymnisch weiter grölt, begibt man sich in Richtung Boden, bis ALLES sitzt. Ein wahrhaft faszinierender Moment, wie jeder, in der Hocke, gespannt zum Fronter blickt. Dies nur noch von dem übertroffen wird, was folgt: Mit dem Einsetzen der ersten Riffs springen alle auf und reihen sich sofort wieder ein weiter zu pogen. Ein durchaus begeisternder Moment.
Nun wird zum ersten Mal die Bühne verlassen um die Reaktion abzuwarten…. Welche, wie gewohnt, mit lauten Zugabe-Rufen ausfällt.
Nun geht es in die Endphase.
Christoph, um den Hals seine Gitarre hängend, erscheint auf der Bühne und während im Hintergrund das Piano ertönt, beginnt die Ballade „I Don´t Belong Here“. Vereinzelt tauchen leuchtende Feuerzeuge auf und die breite Masse beteiligt sich mit stimmlich emotionalem Gesang. Nach und nach kommen die anderen Musiker auf die Bühne, platzieren sich hinter ihren Instrumenten, steigen mit ein und man nähert sich allmälich dem Höhepunkt mit unterstützendem Lichteinsatz.
„Wer hat die geilsten Fans?“ – Sänger beginnt mit „Emil“ und erhält ein donnerndes Echo der Fans mit „Bulls“.
Man verschwindet ein zweites Mal und taucht mit einem Karton voll Wasserflaschen auf, welche zur Erfrischung erst einmal in die ersten Reihen verteilt werden, um erfrischt mit „When God Was Sleeping“ in den Endspurt zu gehen.
Zum Schluss wird dann noch zur Wall of Death aufgerufen. Was sich die Fans nicht zweimal sagen lassen und sich auf der Stelle an die Seiten verteilen – „Fühlt euch umarmt!“ – „Worlds Apart“ klingt an und der letzte Abriss findet statt. Ein letztes Mal tummeln sich alle um den Sänger, um die letzten Zeilen mit zu singen…
Und dann ist es auch schon vorbei.
Zusammenfassend lässt sich sagen:
Sonic Delivery lassen abwarten, ob in Zukunft noch mehr von ihnen zu hören ist. An diesem Abend zeigten sie sich solide. Hatten es durch schlechten Sound und übertriebenes Licht jedoch schwer auf sich aufmerksam zu machen bzw. einen überzeugenden Eindruck zu hinterlassen.
The Dreams hingegen trafen die Geschmäcker schon mehr, hatten jedoch auch mit der bassliebenden Laune des Tontechnikers eine ehr schlechte Karte gezogen.
Emil Bulls reißen das Ruder jedoch noch komplett herum. Eine beeindruckende Bühnenperformance und ein beeindruckendes Publikum. Auch wenn man feststellen musste, das Christoph von Freydorf offenbar nicht ganz auf der Höhe war und die Töne nicht immer traf, was auf Grund der Jahreszeit zu entschuldigen ist. Den Münchnern ist in jedem Fall eine gelungene Abwechslung ihrer beiden Alben „Phoenix“ und „The Black Path“ mit vereinzelten älteren Stücken gelungen. Der Sound besserte sich beim Hauptact merklich und schlussendlich ging man doch sehr begeistert aus dem Lido!
Setlist – Emil Bulls:
01. Here Comes the Fire
02. The Most Evil Spell
03. No Hay Banda
04. Wolfsstunde / Ad Infinitum
05. The Architects of My Apocalypse
06. Mirror (Me)
07. Nothingness
08. Time
09. Newborn
10. Leaving You With This
11. Smells Like Rock N Roll
12. All In the Tune With the Universe
13. Nothing In This World
14. I Don´t Belong Here
15. Cigarette Scars
16. Chickeria
17. When God Was Sleeping
18. Worlds Apart
Review von Kathi
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