Freitag, 3. Dezember 2010

Thrashfest Live Review Berlin Postbahnhof

Live Review
Berlin, Postbahnhof – 1.12.2010
Kreator, Exodus, Death Angel, Suicidal Angels

Nach der Overkill Tour am Anfang des Jahres macht mit dem Thrashfest schon die zweite Thrash Tour in diesem Jahr halt in Berlin. Gut für die Kuttenfraktion, erst recht, da das Billing noch hochwertiger ausgefallen, dabei aber immer noch sehr abwechslungsreich ist. Neben den Traditionalisten haben sich aber auch viele junge Headbanger in Heaven Shall Burn- und In Flames Shirts eingefunden, um sich im Moshpit mal so richtig vermöbeln zu lassen. Umso verwunderlicher, dass man im Postbahnhof und nicht im etwas größeren Huxleys halt macht, wo das letzte Kreator Konzert statt fand. Immerhin findet man hier schon ziemlich früh eine volle Hütte vor. Die Shirtstände sind gut besucht, die Preise sind niedrig bis Mittelfeld (Verwunderlich: Death Angel sind mit 20 € für ein Shirt teurer als der Headliner mit 15 €). (Dafür gibt es das aktuelle Death Angel Shirt für 5$ bei Nuclear Blast USA zu kaufen!!! - Red.)

Als ich ankomme, stehen die SUICIDAL ANGELS schon auf der Bühne und rocken sich hoch motiviert durch ihr Set. Die Griechen haben gerade ein neues Langeisen herausgebracht, das sie fleißig promoten. Dementsprechend wurde die Setlist zu den Festivalgigs stark verändert. Bewährtes wie etwa „Pestilence of Saints“ wird heute teilweise ausgelassen, dafür gibt es neue Brecher vom Schlag „Dead Again“, „Violent Abuse“ und „Bleeding Holocaust“. Dazu kommen nur wenige ältere Songs wie „…Lies“ und das abschließende „Apokathilosis“. Der Unterschied: Die Songs variieren stärker und rasen nicht immer mit 300 km/h durch den Club. Das tut den Griechen gut, um nicht in der kreativen Sackgasse stecken zu bleiben.

Dennoch ist der Unterschied zu den Veteranen DEATH ANGEL riesig. Der Fünfer ist üblicherweise schon eine verdammt starke Liveband, gibt heute aber noch mal extra Kniegas. Nach einem schönen Akustikgitarren Intro starten DEATH ANGEL mit „I choose the sky“ in einen wahnsinnig energiegeladenen Set, der sich ähnlich wie bei den Suicidal Angels auf das aktuelle Album „Relentless Retribution“ konzentriert. Und, das merkt man ganz eindeutig, diese Langrille hat es in sich. „Truce“, „Claws in so deep“ oder „River of Rapture“ werden nur von wenigen älteren Songs wie dem Rausschmeißer „Thrown to the Wolves“ oder „Mistress of Pain“ ergänzt. Das mag dem einen oder anderen Altfan sauer aufstoßen – der dauerhaft hohe Energiepegel des Auftritts spricht aber eine eigene Sprache. Und die sagt, dass DEATH ANGEL in der Form ihres Lebens sind, dass sie ein wahnsinnig starkes Album veröffentlicht haben, dass sie bei aller Brutalität über eine hohe Musikalität verfügen, die sie so wertvoll macht, und dass es eine Sauerei ohnegleichen ist, dass diese Band heute keine Arenen füllt.

EXODUS schaffen es, die Stimmung im Moshpit noch einmal zu steigern. Das kann aber kaum darüber hinwegtäuschen, dass die Bay Area Legende ausschließlich auf die Stumpf ist Trumpf Karte setzen kann und ihren mittourenden Bands in kompositorischer Hinsicht nicht durchgängig gewachsen sind, sondern nur bei Songs wie etwa „Boonded by Blood“ oder „Children of a Worthless God“. Das macht sie auf Platte etwas anachronistisch, live ist das hingegen genau die richtige Musik für das Publikum, sich ganz karthatisch gegenseitig die Fresse zu polieren – freundschaftlich natürlich, wer hinfällt, wird wieder aufgehoben. Frontassi Rob Duke ist gut drauf und heizt das Publikum gut an, ein Freund seines Gesangs werde ich aber in diesem Leben nicht mehr werden. Setlisttechnisch stimmt dagegen alles, „A Lesson in Violence“, „Toxic Waltz“ usw., die üblichen Klassiker werden gespielt, und der Pit wird von Song zu Song größer. Dazu ist es schön, mit Lee Altus (nächstes Jahr auch bei Heathen zu sehen) und Gary Holt zwei starken Riffmastern bei der Arbeit zusehen zu können.

Dann kommen endlich KREATOR. Mit Videoleinwand und fast komplett mit Backdrops abgehangener Bühne sowie zwei Podesten an den Seiten des Schlagzeugs wird die Bühne komplett genutzt. Zum Intro flimmert zu einem Song von Jonny Cash ein Backstagefilmchen über die Leinwand, bevor „The Patriarch“ erklingt und die Band mit „Violent Revolution“ in ihren Set startet. Die Oldschooler können fluchen, soviel sie wollen, „Violent Revolution“ ist seit seiner Veröffentlichung definitiv der beste Liveopener, den KREATOR haben. Die Stimmung kocht über, bevor Mille überhaupt erst ans Mikro treten muss. Was danach folgt, kann man als das Übliche bezeichnen – dabei würde man aber außer Acht lassen, dass das Standartprogramm von KREATOR 99 % von dem, was ansonsten im Metalzirkus so rumfliegen darf, locker in den Schatten stellt. „Hordes of Chaos“, „Phobia“, „Voices of the Dead“, „People of the lie“, „Pleasure to kill“, „Enemy of God“, „Coma of Souls“ usw. hab ich auch schon ein paar Mal gehört – sie machen aber immer wieder Spaß. Zudem haben KREATOR mit „The Pestilence“ und „Endless Pain“ zwei echte Perlen in ihren Set gepackt, dazu noch „Amok run“ vom aktuellen Album wieder in den Set geholt. Ich hätte mir nur noch „Love us or hate us“, „Under the Guillotine“, „To the Afterborn“, „Dying Race Apokalypse“, „Some pain will Last“, „Black Sunrise“, „Replicas of Life“, „Toxic Trace“, „Behind the Mirror“, „Radical Resistance“ oder „Awakening of the Gods“ gewünscht. Das ist schon fast eine ganz neue Setlist, was die Problematik hoffentlich veranschaulicht: Man kann es mit so einer starken Diskographie sowieso nicht allen recht machen, also spielt die Band halt die Songs, auf die sie gerade Bock hat.
Das die Band überhaupt Bock hat, ist klar zu erkennen, in seinen Ansagen fordert Mille einen Moshpit Berlin Style, in den Songs mutiert er zum Tier. Seine Mitstreiter würden in anderen Bands schon alleine ausreichen, um die Bühne zu rocken, hier müssen sie zusehen, dass sie nicht neben ihrem übermächtigen Frontmann verblassen. Dabei tut sich Sami Yli-Sirniö mit seinen tollen Soli hervor, während die anderen beiden die Songs mit der Energie eines Ölbohrers nach vorne treiben. Der Sound ist stark und geht in die Fresse, nimmt der Leadgitarre aber leider gelegentlich den Platz. Das ist aber auch der einzige Makel an dieser großartigen Show. Das Publikum lässt sich dementsprechend nicht lange bitten, und auch wenn ich so meine Zweifel habe, dass das wirklich der größte Moshpit war, den dieser Laden je gesehen hat, haben zumindest die Teilnehmer Spaß an der Sache. Mit dem üblichen Doppel „Flag of Hate/Tormentor“ verabschieden sich KREATOR nach knappen anderthalb Stunden von einem komplett überdrehten, verschwitzten, aber glücklichen Publikum.

Fazit: Großartiges Konzert, definitiv eines der Konzerte des Jahres. Und ich muss mir jetzt erstmal meinen Hals wieder einrenken.

Review von Felix P.
Fotos von Eliane H.

Hier unsere Interviews mit DEATH ANGEL und KREATOR!





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