Mittwoch, 27. Oktober 2010

Apocalyptica Live Review Berlin C-Halle

Berlin, Columbiahalle – 24.10.2010
Apocalyptica, Livingston

Die drei Metalcellisten von Apocalyptica kommen plus Drummer mal wieder nach Europa, um ihr neues Album „7th Symphony“ zu promoten. Das interessiert, trotz des überfüllten Konzertherbstes, viele Menschen, so dass die Abendkasse gar nicht mehr geöffnet werden muss. Das Publikum ist heute nur wenig Metal affin, Gothics und Musikfreunde ohne erkennbare Vorliebe tummeln sich in der Columbiahalle und fluchen über die hohen Preise am Merchstand (25 Euro pro Shirt). Die Kuttenträger kann man dagegen an einer Hand abzählen.

Die Publikumszusammensetzung kommt der Vorband LIVINGSTONE wohl gerade recht. Die internationale Truppe spielt etwas angerauten Alternativ Rock mit leichten Anleihen aus dem Postrock. Das ist nicht wirklich spannend, läuft aber gut rein und lädt das Publikum zum erleichterten Stimmtraining ein. Die Band ist auch durchaus motiviert und lädt zum Mitmachen ein. Ihr Problem: Sänger und Leadgitarrist sind beide ziemlich unsauber (Und bevor mir hier irgendein Korinthenkacker kommt, man kann auch auf einer Gitarre unsauber spielen, nämlich in dem man seine Bendings (Seite ziehen zum Ton erhöhen), von denen einige vorkamen, unpräzise greift), der Rest rein musikalisch gesehen eher unauffällig. Auch der bejubelte Percussion Teil ist nicht wirklich spannend, wenngleich prinzipiell erstmal eine gute Idee. Lediglich die Ansagen des Sängers reißen noch ein bisschen was. Dennoch: Ab ins Mainstream Radio zu den anderen Belanglosigkeiten des Gerade-Noch-So-Rock.

Belanglosigkeit wird auch APOCALYPTICA gerne mal vorgeworfen – mit Verweis auf die Vergangenheit als Coverband. Das sie das nicht mehr sind, sollte jeder halbwegs informierte Liebhaber verzerrter Klänge wissen, aber für die, die es immer noch nicht begriffen haben, starten APOCALYPTICA heute mit „On the Rooftop with Quasimodo“ und hängen auch gleich noch den Brecher „2010“ hinten ran. Bereits hier beweisen sie, dass sie sich weder im Punkt der eigenen Musikalität noch des Härtegrades verstecken müssen. Die Blastbeats sind so präsent wie noch nie bei den Finnen, und das regelmäßig eingesetzte Tremolo verleiht dem Eröffnungsdoppel eine stürmisch fließende Struktur, die an Acts wie Immortal, Hypocrisy oder sogar Marduk erinnert. Nach diesem Schlag setzt die Band auf ein abwechslungsreiches Programm aus härteren Tracks („At the Gates of Manala“, „Grace“), ein paar Balladen („Beautifull“, „Sacra“ und das unvermeidliche „Bittersweet“), dann doch noch einigen Coverversionen („Master of Puppets“, „Reduse/Resist“, „Seek and Destroy“ und „Inquisition Symphonie“) und den üblichen Singlehits („I’m not Jesus“, „End of me“ und „I don’t Care“).
Bei letzteren sowie den neuen „Broken Pieces“ und „Bring them to Light“ ließen sich APOCALYPTICA von Leningrad Cowboys Sänger Tipe Johnson unterstützen. Es ist ja grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, das das Quartett seine Show mit neuen Elementen aufwerten will. Allerdings ist Johnson eindeutig der Falsche für den Job. Sein Gesang ist kraftlos und teils schmerzhaft schief. Das die Celli nach wie vor keine Gitarrenwand sind, unterstreicht diese Schwäche noch zusätzlich. Auch Chefcellist Eicca ist ein schlechter Sänger und sollte es lieber bleiben lassen. Richtig ärgerlich wird es, wenn es bei „Bring them Light“ an die extremen Gesangsformen geht. Johnson versagt hier kläglich, klingt wie ein kleines Kätzchen mit schlimmster Wintererkältung. Gebt dem Mann doch bitte einen Halsbonbon, damit er sein Stimmvolumen wiederfindet!
Von diesem Makel aber abgesehen läuft alles wie am Schnürchen. Der Sound ist blendend, die Band bester Laune und absolut professionell – dabei aber vor allem in den Ansagen gerne sehr locker. Aus musikalischer Sicht muss unbedingt noch Drummer Micco Sirén erwähnt werden. Sein Drumspiel gibt den Songs nicht nur den letzten Push, seine Wirbel sind auch aller erste Lombardo Liga. Das er dabei als Eiccas feuchter Traum durchgeht, mag ein bisschen übertrieben sein – aber, hey, immerhin ist das Bandklima in Ordnung. Mit einer Schrammelversion von „In the Hall of the Mountain King“ verabschieden sich die Finnen nach gut 90 Minuten.

Fazit: Lassen wir mal den Sänger außen vor, war das definitiv ein geiles Konzert.

Review von Felix P.

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