Donnerstag, 15. September 2011
Party.San Open Air 2011 - Festivalbericht
Live Review
Party.San Open Air, Schlotheim – 11.13.8.2011
Neuer Ort, neues Glück? Nachdem das Party.San Open Air letztes Jahr quasi abgesoffen ist, suchte man einen neuen Ort. Diesen fand man in Schlotheim (mit inversem Pentagramm im Stadtwappen), wo man das Festival auf dem Flughafen veranstalten kann. Die Idee ist nicht neu aber gut: Bereits auf Festivals wie dem With Full Force oder dem Metalfest hat es sich bewährt, die Veranstaltung auf einem Flugfplatz durchzuführen. Der Boden ist hart und widersteht dem Wetter genauso wie den Heringen, die man in ihn reinschlagen will – da hilft nur noch der Hammer, und man verlässt das Festival mit ein paar verbogenen Fischen. Der Widerstand gegen das Wetter ist allerdings auch bitter nötig, denn Petrus scheint höchst pissig auf das unheilige Treiben in Schlotheim zu sein und beglückt das Festival immer wieder mit teils starken, teils beständigen Regengüssen. Dabei ist der Donnerstag ausgenommen, bei dem es stattdessen mit Windstärke sieben weht. Der Zeltbau kann da schon mal schnell zum ungeschickten Paraglidingversuch werden, und schlussendlich reißen die porösen Befestigungen der oberen Bühnenplane, so dass das gesamte Donnerstagsprogramm ins Zelt verlegt wird, was zu längeren Umbaupausen führt, weshalb der Headliner Triptykon seinen Auftritt kürzen muss. Die erwarteten Abstriche im Sound bleiben dagegen weitgehend aus (das der Sound durchwachsen ist, ist bei einem Festival klar), und auch wenn das Zelt bereits früh sehr gut gefüllt ist, ist es zu keinem Zeitpunkt gefährlich überfüllt. Das ist die größte Kinderkrankheit des neuen Geländes.
Ansonsten ist eigentlich alles wie gehabt. Der Sound ist festivaltypisch schwankend, im Grundsatz aber meist okay, allerdings ist der Bass häufig sehr dominant, was vor allem den Black Metal Bands schadet. Die Fressmeile ist vergleichsweise preiswert (Bratwurst 2,50€, Crêpe mit Nutella und Banane 3,00 €), der Stand vom Brutz&Brakel wird zeitweise regelrecht belagert. Auf der Merchmeile findet sich alles, was das Black/Death/Thrash Metal Herz begehrt – unter angenehm geringer Anwesenheit von braunem Stoff. Am offiziellen Merchstand werden die Festival- und Bandshirts zwischen 10 und 20 Euro verkauft. Die Security ist im Grundsatz freundlich und meist recht unauffällig. Nach Ende der Bands gibt es eine meist recht geschmackvoll bestückte Metaldisco zwischen W.A.S.P. und Morbid Angel, die den Fans den Ausklang versüßt. Lobenswert ist der Versuch der Organisatoren, dieses Jahr noch ohne ein Müllpfand arbeiten zu wollen. Wenn man die Müllberge am Abfahrtstag betrachtet, sieht es dafür in den Folgejahren eher schlecht aus.
Donnerstag:
Byfrost: Die Black Thrasher BYFROST haben die Ehre, im Zelt das Party.San zu eröffnen. Dabei haben sie schon am Anfang ganz gut Verspätung. Allerdings geben die Norweger von Beginn an gut Gas und versuchen, das Publikum auf ihre Seite zu ziehen. Die Reaktionen sind anfänglich noch verhalten, steigern sich aber von Song zu Song. Musikalisch zeichnet das Trio vor allem seine prägnante Rythmusgitarre aus, die bei aller Punktiertheit nie das dunkle Black Metal Gefühl vermissen lässt. Das alleine reicht zwar noch nicht für den ganz großen Wurf, ist musikalisch aber zumindest gelungen.
Dew-Scented: DEW-SCENTENTED haben an diesem Wochenende die besten Slayer Gedächtnisriffs am Start und machen das Zelt damit zum ersten Mal so halbwegs voll. Die Bühnenpräsenz stimmt, die Songs sind gut und instrumental machen die Sachsen auch einen guten Job. Der Gesang ist passend dazu sehr brutal, aber auch sehr eindimensional, was vermutlich das größte Manko dieser Band ist. Bisher haben es alle größeren Thrashbands geschafft, neben geilen Riffs irgendwann auch ähnlich geilen, zumindest etwas abwechslungreichen Gesang danebenzustellen. Das fehlt bei DEW-SCENTED noch. Den vielen Maniacs auf dem Party.San ist das allerdings egal.
Aborted: Die nächste Band sind ABORTED, die bei gutem Sound das Zelt plattwalzen. Die Belgier haben weiten Teilen der Brutal Death Metal Konkurrenz etwas voraus, und das nennt sich schlüssiges Songwriting. Moshparts, Blastbeats und viehisches Gegrunze sind nicht nur Selbstzweck, sondern ergeben ein erstaunlich interessantes Ganzes. Vielleicht ist es eine kaum erkennbare melodische Komponente, vielleicht auch eine größere Durchdachtheit, es ist jedenfalls das berühmte gewisse Etwas. Ob es dieses Etwas ist, das den brutalen Moshpit zum Kochen bringt oder einfach nur die bewährte Brutal Death Formel, sei jetzt mal dahingestellt, jedenfalls macht die Band tierisch Laune.
Negura Bunget: Wie nicht anders zu erwarten haben NEGURA BUNGET trotz längstem Soundcheck des Tages mit einem unausgewogenen, die Gitarren häufig vernachlässigenden Sound zu kämpfen. Daran scheint man aber schon gewöhnt zu sein, jedenfalls zieht die Band ihr Programm nicht einfach nur professionell durch, sondern versinkt in den eigenen Kompositionen, von denen ein Gutteil vom aktuellen Superalbum „Vîrstele Pamîntului“ kommt. Damit emanzipiert sich Negru endgültig von seinen ehemaligen Bandkollegen. Man kann von dem ganzen Besetzungskindergarten halten was man will, aber musikalische Tatsachen sprechen für sich, und wer spirituell tiefgründigen Folk Black Metal ohne Einheitsgetröte, aber mit viel Erde, Wasser, schroffen Felsen und mächtigen Wäldern sucht, kommt an NEGURA BUNGET nicht vorbei. Und wenn Dordedruh in Zukunft vergleichbares leisten – umso besser!
Darkened Nocturn Slaughtercult: DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT haben sich von einer eher belächelten Underground Band in recht kurzer Zeit zu Deutschlands bestem und erfolgreichsten Vertreter für Black Metal der klassischen Schule entwickelt. Und das stellt das Schwarzwurzelquartett auch heute wieder eindrucksvoll unter Beweis. Das Songmaterial ist gerade abwechslungsreich genug, um im Gedächtnis zu bleiben, ohne das es verweichlicht, die Show erfüllt die Black Metal Klischees, ist aber musikalisch absolut hochwertig und verwahrt sich deshalb gegen Lächerlichkeit – zumindest wenn man bei schwarz-weiß angepinselten MusikerInnen nicht sowieso zwanghaft grinsen muss.
Decapitated: Die zweite Welle modernen Death Metal bilden heute DECAPITATED, die für viele Fans heute der Höhepunkt des Tages zu sein scheinen. Warum das so ist, will sich mir nicht so richtig erschließen, denn auch wenn das technisch anspruchsvolle Material musikalisch sauber und routiniert dargeboten wird, könnten Show und Songs austauschbarer kaum sein. Sprich: Zum Moshen reicht der Kram, aber mehr ist auch nicht zu holen. Abwechslung ist leider fehl am Platze genau wie intelligente Spannungsbögen, stattdessen regiert pure Haudrauf-Mentalität ohne emotionale Aggression. Wem das reicht, für den haben DECAPITATED heute einen guten Auftritt hingelegt. Ich für meinen Teil langweile mich zu Tode.
Triptykon: Für TRIPTYKON lief der August bisher nicht so gut: Erst musste man sich mit dem Desinteresse des Wacken Open Air Publikums rumschlagen und heute ist die Verspätung soweit vorangeschritten, das nur noch Zeit für fünf Songs ist – darunter allerdings die Epen „The Proloning“ und „Synagoga Satanae“, die dem Publikum einmal mehr durchgängige Gänsehaut und abgrundtiefe Finsternis bescheren. Tom ist trotz der widrigen Umstände gut drauf und versprüht Charisma und Leidenschaft mit jeder Bewegung. Seine drei Mitmusiker stehen ihm zumindest in letzterem kaum nach, und man merkt, wie stark diese Band inzwischen zusammengewachsen ist, wie blind sie zusammenspielt. In den ersten Reihen haben sich einige Die Hard Fans gesammelt, die zu jedem der fünf Überlangnummern komplett abdrehen – und sich danach beschweren, was alles gefehlt habe. Und daran erkennt man einen fantastischen Auftritt: Er ist viel zu kurz! Hellhammer ist tot! Celtic Frost ist tot! Es lebe Triptykon! Es lohnt sich nicht, in der Vergangenheit zu leben, wenn die Gegenwart dermaßen brillant aufwartet!
Freitag:
Puteraeon: Die Eröffnung des zweiten Tages ist todesmetallisch und dummerweise gar nicht mal so spannend. PUTERAEON mühen sich zwar redlich ab und ernten auch einiges an respektvollem Kopfnicken, sind aber auf einem Festival, bei der sich die Elite des Genres die Klinke in die Hand gibt, ein bisschen zu austauschbar, als das es für sie ernsthaft etwas zu reißen gäbe.
Truppensturm: Die einheimischen TRUPPENSTURM demonstrieren danach, wie nah Black und Death Metal zusammen liegen, wenn man beides nur krachig genug spielt. Mit dieser Qualität fungieren sie als perfekter Anheizer für die später auftretenden Belphegor. Der Auftritt selbst ist ein guter Weckruf, der viele Leute vor die Bühne zieht. Rumplig, stumpf und ganz schön krachartig lassen die Musiker ihr Songmaterial auf die Fans los, das in dieser Form an die aktuelle Gorgoroth Besetzung erinnert – mit weniger Boshaftigkeit, aber höherem Lärmfaktor. Das kann man kultig oder voll für die Tonne finden, unterhaltsam ist es auf jeden Fall.
Urgehal: Und wenn wir schon mal bei stumpf sind, können wir da auch gleich mal weitermachen. Die Norweger URGEHAL bieten das, was man von ihnen kennt: Ein alkoholgeschwängertes Auftreten, das jedes Vorurteil über Black Metal Bühnenshows bis auf die Spitze getrieben einhält. Das Erstaunliche daran ist die Souveränität, mit der URGEHAL ihren rauhen Black Metal dem Publikum darbieten – und das bei einem Sänger, der bereits jetzt locker 2,0 Promille auf dem Kessel hat. Das löst die Zunge, und der gute Trondr feuert das Publikum ohne Pause an. Das macht gute Laune. Ob das Black Metal ist? Scheißegaahl!
Skeletonwitch: Man kann es nicht häufig genug sagen: Wir brauchen mehr Thrash Bands auf Extrem Metal Festivals! Zwischen tiefergestimmtem Rumoren und und eisiger Mittelfrequenzkälte kommen die in Normalstimmung gespielten Thrashriffs von SKELETONWITCH gleich doppelt gut. Mit geschmackvoll gestaltetem Backdrop im Hintergrund spielen sich die fünf Amis durch einen energiegeladenen Set, der zwischen Iron Maiden Leads und dezenten Black Metal Stürmen genug Abwechslung bietet, um auf jeden Ansatz von Progressivität verzichten zu können. Zu deutsch: An den Songs klebt kein Pfund zu viel, was sie zu unbedingt mitbangtauglichen Hymnen macht. Sehr schön!
Desultory: DESULTORY sind dann die ersten Pechvögel des Festivals. Kaum haben die Schweden ihr Set begonnen, fängt es wie aus Tanklastern an zu schütten, so dass der Band ein Gutteil des Publikums genommen wird. Die ziehen ihre Show aber frei nach dem Motto „Die, die noch hier sind, sind die, die Bock auf uns haben“ weiter mit viel Spielfreude durch, und ihre Musik, die bei aller Härte nie unmelodisch wird und sowohl den Brutal und Technical Death Metal Vertretern wie auch weiten Teilen der Melodic Death Metal Konkurrenz zeigt, wie man reizvollen Death Metal mit genügend Brutalität hymnisch spielen kann, tut bald ihre Wirkung. Man sieht genug Leute bei dem Versuch, ihre Haare schneller trocken zu bangen als der Regen sie nass machen kann. An diesem Auftritt erkennt man, das es zu den Qualitäten einer guten Liveband gehört, auch in nicht ganz idealen Situationen das Publikum begeistern zu können.
Absu: Zu ABSU ist das Wetter dann wieder vergleichsweise trocken, aber die dunklen Wolken lassen bereits erkennen, dass das Wasser heute noch mal aus dem Himmel fliegen wird. Die texanische Kultband nutzt die regenfreie Zeit jedenfalls und schmeißt uns einige exotisch klingende Ohrenhappen in die Lauscher. Dabei wird auf eine Best-Off Setlist zurückgegriffen, die es wirklich in sich hat. Fremd anmutende Riffs und Rhythmen treffen auf unbatrmherzige Black/Death Metal Härte und verschmelzen zu einem beeindruckenden Ganzen, das von den Stimmen von Drummer Proscriptor und Bassist Ezezu noch unterstützt wird. Viel Bewegung herrscht da naturgemäß nicht auf der Bühne, die ohne Frontmann ein bisschen leer wirkt. Andersherum: Leere Bühnen lassen mehr Platz für viel Musik – und die Musik von ABSU braucht schon sehr viel Platz.
Primordial: Und magisch geht es weiter: Die Iren PRIMORDIAL weben ihre überlangen Epen und setzen dabei ausschließlich auf die letzten drei Alben. „No Grave Deep Enough“ trifft die Mitte zwischen Epik und treibenden Elementen, um einen reibungslosen Einstieg zu garantieren, „As Rome Burns“ hat den hypnotischsten Mitsingteil des gesamten Festivals, „Bloodied Yet Unbound“ ist trotz alle Ruhe ein absolutes Energiebündel, „The Coffin Ships“ verursacht Gänsehaut und das abschließende „Empire Falls“ mobilisiert noch einmal sämtliche Reserven. Und während die Instrumentalisten in sich versunken ihre Parts spielen, füllt Sänger Alan mit seinem überlebensgroßen Charisma die Bühne quasi alleine aus. Er singt, schreit, wimmert, leidet, predigt und stachelt auf, und jedes Mal reißt er das Publikum komplett mit. Aus dieser Mischung aus starken Songs, gefühlvollem Instrumentalspiel und mitreißender Performance ziehen PRIMORDIAL ihre Kraft, die sie zum Höhepunkt des Tages macht.
Melechesh: Und noch eine weitere Black Metal Band im weiteren Sinne, die dafür bekannt ist, Grenzen zu verschieben, ist heute am Start. Dabei ist das Interesse an MELECHESH nicht so groß wie an den vorhergehenden Primordial, an die heute kaum ran zu kommen ist. Zudem erwischt die Truppe mit „Illumination: The Face Of Shamash“ einen mäßigen Start, was nicht zuletzt auch am unausgewogenen Sound liegt. Erst mit „Grand Gathas Of Baal Sin“ finden MELECHESH zu ihrer vollen Stärke und erschaffen eine brennende, alles verzehrende Wüste aus Rhythmen und Harmonien. Mit „Rebirth Of The Nemisis“ geht der Auftritt zu Ende, der wohl an bandeigenen Maßstäben gemessen eher als durchwachsen anzusehen ist. Dennoch: Eine Band, die unbarmherziges Geprügel durch fremdartige Harmonik in seiner Intensität so stark steigern kann wie MELECHESH muss erst noch gefunden werden.
Belphegor: So, nun ist aber Schluss mit lustig! Brecher wie „Lucifer Incestus“, „Belphegor – Hell's Ambassador“ oder „Bondage Goat Zombie“ kommen wie ein tiefschwarzer Sturm über Schlotheim und sind in ihrer live dargebotenen Form an Brutalität kaum zu übertreffen. Schwarzes Geprügel trifft auf Death Metal Gewalze, was in dieser Form zum unnachgiebigsten gehört, das die Musikwelt kennt – auch weil sie im richtigen Moment an Komplexität etwas zu nehmen und fast beständig an der Grenze zwischen Harmonik und Lärm rangieren. Wenn man BELPHEGOR überhaupt einen Vorwurf machen kann, dann das einige Hits mal wieder in der Truhe bleiben – „Bluhtsturm Erotika“ oder das viel geforderte „Swarm Of Rats“ könnten echt mal wieder kommen. Leider ist das heute der letzte Auftritt von Drummer Martin – es bleibt zu hoffen, das die Satansbraten jemanden finden, der sie weiterhin so effektiv antreibt.
1349: Die Norweger haben heute ein ganz empfindliches Problem: Drummer Frost ist mit Satyricon unterwegs und dementsprechend muss auf die Dienste von einem Ersatzmann zurückgegriffen werden. Der spielt zwar einen Tick abwechslungsreicher als Frost, bekommt aber die übermenschlichen Blastbeats und Double Bass Attacken längst nicht in der üblichen Präzision hin, einige Teile werden regelrecht schlampig gespielt. Dazu noch ein tierisch bescheidener Sound, und der Auftritt ist zwar immer noch ein gutklassiger Black Metal Gig, aber halt auch nicht mehr. Gerettet wird die Show lediglich von Sänger Ravn, der mit seinem Charisma so manchen Patzer verdecken kann und die Show im Endeffekt vor dem kompletten Schiffbruch bewahrt – enttäuschte Gesichter gibt es dennoch zuhauf.
Ensiferum: Die Finnen von ENSIFERUM sind auch bei einsetzendem Regen eine Festivalkonstante. Man weiß was man bekommt, kann Party machen und wirklich schlechte Gigs gibt es von den Finnen eigentlich auch nicht. Das kann man, je nach Standpunkt und musikalischer Vorliebe, voll toll oder ätzend öde finden. Ich für meinen Teil tendiere eher zu letzterer Fraktion, da ich die Rockträger einfach zu häufig gesehen habe und die Musik sich für mein Verständnis tierisch schnell abnutzt. Damit bin ich an dieser Stelle aber Teil einer Minderheit, denn das Gelände ist trotz Sauwetter unterm Strich gut voll und die Stimmung beständig hoch.
Morbid Angel: MORBID ANGEL sind nicht dumm, und sie sind lange genug dabei, um zu wissen, was ihre Fans von ihnen verlangen: Viel altes Zeug und nur nicht zu viel vom durchwachsenen neuen Album, schon gar nix von dem Elektrozeug. Einmal die fette Death Metal Keule bitte, und zwar schön saftig. Und was der Fan will, soll er haben, neben ein paar neuen Songs stehen viele von „Altars Of Madness“ und „The Convenant“. Und so schaffen es die Death Metaller, so manchen Freudenschrei zu erzeugen und halten ihr Publikum trotz Dauerregen souverän vor der Bühne. Vor allem David Vincent scheint richtig Spaß an seinem Auftritt zu haben, und über die Songs braucht man ja keine Worte mehr zu verlieren – MORBID ANGEL spielen klassischen Ami Death Metal der besten Sorte, und die Leute drehen durch.
Samstag:
Dawn Of Disease: Am dritten Festivaltag ist die Meute, wie immer schon recht erschöpft und klemmt sich die frühen Bands häufig – das ist auch heute nicht anders, weshalb DAWN OF DISEASE mit kleinem Publikum vorlieb nehmen müssen. Die modernen Death Metaller versuchen dennoch, die kleine Meute mit ihrer Musik mitzureißen, was ihnen aber nur bedingt gelingt, denn Show und Songmaterial der Truppe ist einfach zu beliebig und fliegt genauso schnell rein wie wieder raus.
Cliteater: CLITEATER scheinen für gar nicht mal so wenige Leute einer der Höhepunkte des Festivals zu sein – die T-Shirt Dichte ist sehr viel höher als bei den meisten folgenden Bands und trotz früher Uhrzeit stehen schon einige Fans vor der Bühne. Keine Riesenkulisse freilich, sondern eher ein Treffen der Guts-and-Goregourmets. Die Band nutzt diesen Vorteil und liefert einen starken Auftritt ab, der jeden Fan zufrieden stellen sollte und auch den einen oder anderen Neugierigen überzeugt haben dürfte.
Witchburner: Es ist immer wieder erstaunlich wie schmal teilweise die Grenze zwischen Thrash und Trash ist – WITCHBURNER balancieren ihren ganzen Auftritt darauf entlang, erreichen meistens den Thrash und driften gelegentlich gewollt oder ungewollt in den Trash ab. Das Songmaterial ist ultrasimpel und ultrastumpf, meist aber mitreißend und gut headbangbar. Gelegentliche Ausflüge in zu punkige Krachregionen und der eintönige Gesang werden da gerne verziehen – wir reden hier schließlich über Undergroundmucke, die mit mehr Gefühl als technischem Können gespielt werden muss. Und dieses Verhältnis stimmt hier.
Panzerchrist: PANZERCHRIST erinnern nicht nur durch den Militarismus im Bandnamen an die Tags davor spielenden Kollegen von Truppensturm – der Sound und das Auftreten der Bands ähneln sich stark. PANZERCHRIST sind die tieferen, groovigeren, Death Metal lastigeren, aber dieses Detail fällt tatsächlich erst im direkten Vergleich auf. Ansonsten könnte man die im Truppensturm-Bericht verwendeten Vokabeln größtenteils auch an dieser Stelle übernehmen. Das wären zum Beispiel: Krachig, lärmig, rumplig oder kultig.
Heidevolk: Kontrastprogramm! Folk Metal Bands haben es auf dem Party.San traditionell schwer – man denke nur an den trotz guter spielerischer Leistung komplett ignorierten Auftritt von Eluveitie vor zwei Jahren, der zudem vom Mischer böse versaut wurde. Auch HEIDEVOLK bekommen das heute zu spüren, denn trotz musikalisch einwandfreier Leistung inklusive schönem mehrstimmigen Gesang tanzen nur wenige bierseelige Gestalten vor der Bühne, während viele Fans den Auftritt zur Abbauzeit erkoren haben. Bei immerhin okayem Sound machen die Folker das, was sie tun können – sie nehmen mit, was da ist. Musikalisch ist alles im grünen Bereich, es gibt viele Ansagen und viel Bewegung auf der Bühne. Ein solider Auftritt also.
Taake: Exhumed kommen zu spät, weshalb der Auftritt von TAAKE vorgezogen wird, die das beste aus der Situation machen. Trotz kurzfristiger Ansage sind die meisten Fans der Norweger tatsächlich auch vor Ort, als Hoest in schicke Jeanskutte mit Darkthrone Backpatch gewandet die Bühne betritt und das tut, was er am besten kann: Eine astreine Black Metalperformance abliefern. TAAKE setzen heute viel auf Midtempo, was von Vorteil ist, denn neben der den Ur Black Metal auszeichnenden Kälte kommen hier auch die prägnante Melodik und das Rhythmusspiel gut zur Geltung. Das ist das, was TAAKE rein musikalisch von vielen Black Metalbands abhebt – dazu kommt dann noch die Performance, die mit viel Bewegung und Kommunikation die Fans vor der Bühne mitreißt.
Exhumed:Nachdem die Black Metaller ihre Band gehabt haben, dürfen jetzt die Gorefans nochmal ran: EXHUMED sind angekommen und hetzen sich durch ihren Set, als ob sie immer noch ein Zeitproblem hätten. Der Speed dieser Band ist beeindruckend, die Songs aber für das Nicht-Grindcore Herz ziemlich schnell ermüdend. Den Fans ist das egal: Die drehen durch und haben zusammen mit der Band ganz offensichtlich viel Spaß.
Nachtmystium: Bei den Amis NACHTMYSTIUM hat der Mischer böse ins Häufchen gegriffen: Ein viel zu dominanter Bass zerstört die Feinheiten der Songs, was den Hörgenuss erheblich schmälert. Das ist schade, denn ansonsten stimmt alles: Die Leute sind heiß auf die Band, die Musiker selbst sind gut drauf und die Songauswahl konzentriert sich dem Publikum entsprechend auf die blackmetallischen Frühwerke der Band, was prinzipiell erstmal gut ankommt. Leider gibt es bereits nach wenigen Songs einen Schaden am Schlagzeug, der von der Band leider nicht souverän überbrückt werden kann. Das zerrt an den Nerven. Und so werden NACHTMYSTIUM zu den Verlierern des Festivals. Es wäre viel zu holen gewesen, aber die Umstände sprachen gegen die Band.
Hail Of Bullets: HAIL OF BULLETS machen heute alles richtig: Sie wählen einen speedigen Start, gehen aber, sobald sie das Publikum einmal im Hochgeschwindigkeitsrausch aufgemischt und durcheinandergewirbelt haben, einen Gang runter und planieren alles, was nicht schnell genug aus dem Weg kriechen kann. Und dabei kommen sie auch noch ungemein sympathisch rüber. Die holländischen Weltkriegshistoriker spielen einen Querschnitt aus ihren beiden Alben, was, wie zu erwarten, gut ankommt. Bei Brechern wie „General Winter“ und „Tokyo Napalm Holocaust“ mobilisieren die Fans noch einmal alles. HAIL OF BULLETS haben an diesem Wochenende im Death Metal Bereich die Nase ganz weit vorne.
Watain: WATAIN haben sich seit der Veröffentlichung von „Lawless Darkness“ alles andere als rar gemacht. Um Ermüdungserscheinungen beim Publikum zu vermeiden haben sie Setlist und auch Teile der Show dabei immer wieder variiert. Letztere ist heute Standard, dafür bietet die Setlist heute einige Leckereien für Die Hard Fans, denn die Schweden spielen heute nur Songs der ersten beiden Alben, wobei vor allem „The Limb Crucifix“ und „From The Pulpits Of Abomination“ für Freudenstürme sorgen. Mit sehr intensiver Show vor allem von Fronter Erik führen die fünf Schweden durch ein leider viel zu kurzes Programm, das mit dem Jon Nödtveidt gewidmeten „A Fine Day To Die“ (Das ein Bathory Cover ist und nicht, wie einige Gehörgangskrüppel gehört haben wollen, ein Dissection Cover) seinen Höhepunkt findet. Schade, das WATAIN erst so spät ins Billing gerutscht sind, sonst hätten sie sicherlich auch eine bessere Position bekommen können.
Morgoth: Und schon wieder Schweden auf der Bühne! Die werden auch nicht weniger....und Musik machen können sie auch. Die Elchtöter von MORGOTH sind wieder da und beeindrucken von der ersten bis zur letzten Sekunde. Durch viele Festivalauftritte eingespielt hauen die Schweden einen großartigen Song nach dem anderen raus, wobei die Auswahl zum 20 jährigen Bestehen von „Cursed“ fröhlich stimmt. Anders als eine Woche zuvor auf dem Wacken hat die Truppe hier auch ihre Leute und zudem kann sie ihre komplette Lichtshow auffahren, was die Wirkung der Songs nochmal steigert. Schön das ihr wieder da seid!
Enslaved: ENSLAVED nerven zu aller erst mit einem überlangen Soundcheck, der sie einen Teil ihrer Besucher kostet. Für die Verbliebenen ist das allerdings ein guter Tausch, denn ENSLAVED haben einen Spitzensound, der für ihre inzwischen sehr detailverliebte Musik auch nötig ist. Zudem finden die Norweger heute eine gute Balance aus ihren ruppigen Frühwerken und ihren aktuellen psychedelischen Songs, so das sowohl für den Klangkunstverehrer wie auch für den Black Metal Fan was dabei ist. Auch wenn es in aller erster Linie die späteren Songs sind, die wirklich beeindrucken, kann man auch den Stimmungsanstieg bemerken, wenn die Norweger anfangen zu holzen anstatt zu frickeln. Zudem herrscht auf der Bühne viel Bewegung, worunter die Performance dankenswerterweise nicht leidet. Ein wirklich starker Gig.
At The Gates: AT THE GATES haben nun mit über einer Stunde Verspätung die Ehre, das Festival zu schließen. Und die Schweden fackeln nicht lange, sondern brennen ein Best Of Feuerwerk der Extraklasse ab, mit dem sie ihrem Ruf als großartige Liveband allemal gerecht werden. Songs wie „Terminal Spirit Disease“ oder „Blinded By Fear“ sind einfach Extraklasse und in ihrer Verbindung aus Härte und Melodie nur selten erreicht – auch wenn der Kultstatus, der der Band häufig angedichtet ist, gerne mal übertrieben wird, gehören AT THE GATES zweifellos zu den größten Elchtötern. Dazu noch überbordende Spielfreude und eine passende, im Gegensatz zum Wackenauftritt 2008 nicht übertrieben grelle Lichtshow, und die Schweden können auch den größten Zweifler überzeugen.
Fazit: Das neue Gelände hat seine Einweihung überlebt – aber bei der Bühnenbefestigung muss definitiv noch was gemacht werden, denn Konzert im Zelt ist nicht so richtig geil. Ansonsten aber Daumen hoch.
Bericht von Felix Patzig
Bilder von Diana Muschiol
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