Freitag, 2. November 2012

Primordial Live Review – K17 Berlin


Endlich erhören Primordial mein jahrelanges Flehen nach einer Headlinertour und besuchen die kleinen Clubs, anstatt sich irgendeinem Freizeitheidenfestival anzuschließen. Was sich die K17-Betreiber allerdings dabei gedacht haben, den Einlass zeitgleich mit dem parallel auf einem Floor stattfindenden Nachtblut-Konzert zu legen, erschließt sich mir nicht. Eine Schlange von der Länge einer Boa ist vorprogrammiert. Nach nervtötender Warterei kommt man rein, und der obligatorische Gang zum Merchstand ist diesmal durchaus angenehm, denn die Preise sind bei allen spielenden Bands sehr niedrig.

Angenehm sind auch die Holländer WELTSCHMERZ. Deren Mitglieder wirken auf der Bühne zwar eher niedlich als bösartig (was von den in schönstem Niederlandakzentsdeutsch vorgetragenen Ansagen nur noch unterstützt wird), musikalisch ist aber alles im grünen Bereich, und das Publikum reagiert zurückhaltend, aber wohlwollend.

VISIONARY666 hieven die Stimmung im inzwischen gut gefüllten K17 aber noch ein Stück höher. Ihre Mischung aus Behemoth-Präzisionsdrumming und Deströyer666-Rotzigkeit kommt von Anfang an gut an (obwohl auch diese Band längst nicht so böse aussieht wie ihre Musik). Das Quartett überzeugt in jeder Tempolage und könnte bald auch zu höherem berufen sein.

Vor PRIMORDIAL füllt es sich schlagartig, und die ersten Reihen sind auf einmal voll besetzt. Wie ihre beiden Vorgänger steigen die Iren mit einem pompösen Intro ein, bevor der Opener 'No Grave Deep Enough' angestimmt wird. Bereits vor dem ersten Ton wird das Luxusproblem der Instrumentalisten deutlich: Alle Blicke richten sich auf Sänger Alan, der seine Mitmusiker bereits zu Statisten degradiert, bevor er überhaupt ein Wort gesagt oder gesungen hat. Damit haben die einerseits die Möglichkeit, komplett in ihrem Spiel zu versinken, andererseits darf man an dieser Stelle auch kein zu großes Ego haben. Das ist bei dieser Musik aber sowieso eher hinderlich, denn trotz Alans überlebensgroßer Aura ist es das Gesamtkunstwerk das im Zentrum der Betrachtung steht. Und das ist mehr als geeignet, den Hörer auf eine rauschhafte Reise in altertümlich-zerstörerische Welten zu nehmen. Dabei wird vor allem eines deutlich: PRIMORDIAL arbeiten trotz ausschweifender Arrangements sehr songorientiert, den benutzt wird, was zur Stimmung passt und nicht, was der Genrekodex erlaubt. Zwischen unergründlicher Düsternis, vorstürmlicher Ruhe, aufpeitschenden Tsunamis, tiefer Melancholie und grimmiger Schlachtstimmung schaffen die Iren langsam wirkende, aber umso tiefer eindringende Stücke, die Mauern rücksichtslos wegreißen, um frei atmen zu können. Einer der Höhepunkte ist dabei einmal mehr das genauso majestätische wie auch dunkle 'As Rome Burns' mit seinem hypnotischen Mitsingteil, dessen mitreißende Stimmung Schwarzheimer und Freizeitheiden auf der ganzen Welt erfolglos zu imitieren versuchen. Den Unterschied macht, dass das Schlachtfeld hier nichts romantisches oder ehrenhaftes hat, sondern (und darin ist es typisch irisch) ein unwirtlicher Ort ist, den man nicht betreten möchte, wenn man es nicht muss (Kurze Rückkehr in die Realität: Wir sollten alle dankbar sein, wenn wir es nicht müssen, aber das nur mal nebenbei). Sehr viel direkter schlägt der vielleicht eingängigste Song der Truppe 'Empire Falls' in dieselbe Kerbe. Der beschließt auch heute wieder einem tosenden Orkan gleich den regulären Set, bevor sich PRIMORDIAL mit 'Heathen Tribes' noch einmal von ihrer querköpfigen Seite zeigen. Das Publikum weiß offensichtlich gerade das zu schätzen und bereitet der Band einen fantastischen Abschied, den die Musiker mit spürbarer Begeisterung und Stolz annehmen.


Setlist Primordial:
No Grave Deep Enough
Autumns Ablaze
Gallows Hymne
Bloodied Yet Unbowed
As Rome Burns
The Mouth Of Judas
The Burning Season
The Coffin Ships
Gods To the Godless
Empire Falls
Heathen Tribes

Felix Patzig

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