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Lemmy ist zuverlässiger als das Christkind |
Aaaaaaaaaaalle Jahre
wiiiiiiiiiiiiiiieder kommt das Christuskiiiiiiiiiiiind...“. Ich
kann mir nicht helfen, die Floskel drängt sich einfach auf, wenn
jemand wie Lemmy am 24. Dezember Geburtstag hat und dann auch
wirklich jedes Jahr im Dezember vorbei kommt. Ich will ja nicht
munkeln, aber der Weihnachtsmann war nie so zuverlässig. Dennoch
verwundert es, dass das Konzert zwei Mal verlegt werden muss. Nach
der Columbiahalle und dem Hangar 2 ist also jetzt das Velodrom dran
und lässt soundtechnisch das schlimmste befürchten (zu recht, wie
sich während der Konzerte herausstellen soll). Ich bin selten in so
großen Hallen und freue mich sehr über die riesige Anzahl an
Garderoben (und vor allem darüber, dass ein großer Teil der
Besucher sich auf nicht mal die Hälfte verteilt und ich meine weiter
hinten gelegene mehr oder weniger alleine in Beschlag nehmen kann),
während die meisten Fans sich mit Currywurst und Bier eindecken
(beides natürlich total überteuert), sich das Merchangebot
anschauen (ebenso überteuert, die Leute kaufen ärgerlicherweise
trotzdem wie bescheuert) oder entgegen dem Klischee ihre grenzenlose
Toleranz unter Beweis stellen, indem sie das unglaublich
uninspirierte Geschrammel von DIARY OF A HERO mehr oder weniger
klaglos ertragen und zwischen den Songs sogar Höflichkeitsapplaus
spenden. Die Truppe hat offensichtlich entweder zu viel Geld
(Stichwort: Pay To Play) oder die Musiker haben für diesen Tourslot
Dinge getan, über die ich lieber nicht zu genau nachdenke – an
ihrer musikalischen Qualität kann der Zuschlag jedenfalls nicht
liegen.
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Anthrax-Chef Scott Ian wieder
auf der Gewinnerseite |
ANTHRAX haben es danach umso leichter
und avancieren schnell zum Überraschungssieger des Tages. Kaum eine
Thrash-Legende wurde in den letzten Jahren so effektiv
abgewirtschaftet (mit Ausnahme von Sepultura), was weniger
musikalische Gründe hat als an Scott Ians teilweise eher weniger
genialen Geschäftspolitik liegt. Das heißt: Selbst wenn einem die
Truppe nur noch schwer sympathisch sein kann, muss man ihre
musikalische Leistung anerkennen. Und ANTHRAX nutzen die neue Chance,
die sich ihnen erst mit dem Big4-Hype und nun mit der Motörhead-Tour
ergibt. 'Caught In A Mosh' verfehlt als Opener seine Wirkung nicht,
und die Amis haben mit einer Mischung aus alten Brechern
(einschließlich der üblichen beiden Cover) und Material von ihrem
aktuellen Album „Worship Music“ schnell alle auf ihrer Seite.
Ersatzdrummer John Dette macht einen überzeugenden Eindruck, und
Belladonna scheint auf Dauer tatsächlich die beste Wahl zu sein. So
sieht eine gekonnte Rückmeldung aus.
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Ein Energiepaket: Motörhead-Drummer Mikkey Dee |
Was sind das für Arschlöcher, die
Lemmy erst mal schön mit Bierbechern bewerfen? Halten die sich für
cool? Haben sie Komplexe? Wollen sie Aufmerksamkeit? Ich hab hier
einen ausgezeichneten Holzknüppel herum zu liegen, dessen ungeteilte
Aufmerksamkeit kann dieses Gesocks gerne haben. Lemmy äußert sich
in einer Ansage ähnlich begeistert. Nach einer kurzen Verzögerung
durch diese Arschkrampen geht es also los, und man muss leider sagen,
dass trotz des hohen Fansupports schnell klar wird, dass die aktuelle
Tour nicht gerade eine Sternstunde in der Historie von Motörhead
ist. Auf gerade einmal 75 Minuten Spielzeit (aufgerundet) kommt das
Trio heute, die Setlist ist der pure Standard, Lemmy ist überhaupt
nicht gut bei Stimme und auch Phil hat irgendwie schon mal gelungener
soliert. Der Fels in der Brandung ist Mikkey Dee, dessen unglaublich
kräftiger Punch selbst aus einer Schmuseballade noch ein
Testosteronmonster machen würde und der seine Bandkollegen in seiner
ganz eigenen Art durch den Set treibt und dabei wie immer einen Blick
wert ist. Ansonsten bleibt festzustellen, dass MOTÖRHEAD (und vor
allem Lemmy) halt auch nicht jünger werden und selbst diese
schmiedeeiserne, kaum angreifbare Institution irgendwann bröckeln
muss. Das Publikum gibt trotzdem alles (ein gut-Teil sieht die Band
auch zum ersten Mal) und bereitet dem Konzert dadurch ein
versöhnliches Ende. Ach ja, zu 'Overkill' stürmen Anthrax noch
einmal die Bühne und feiern zusammen mit dem Headliner den
Tourabschluss. Eine nette Geste, die den Zusammenhalt im Tourtross
demonstriert.
Setlist Motörhead
I Know How to Die
Damage Case
Stay Clean
Metropolis
Over the Top
Doctor Rock
Guitar Solo
The Chase Is Better Than the Catch
Rock It
You Better Run
The One to Sing
the Blues (including Drum Solo)
Going to Brazil
Killed by Death
Ace of Spades
Overkill
Setlist Anthrax:
Caught in a Mosh
Fight 'Em 'Til You Can't
Antisocial (Trust cover)
Indians
In the End
Deathrider
Madhouse
Got the Time (Joe Jackson cover)
The Devil You Know
I Am the Law
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