Samstag, 8. Dezember 2012

Live Review Motörhead – Velodrom Berlin


Lemmy ist zuverlässiger als das Christkind
Aaaaaaaaaaalle Jahre wiiiiiiiiiiiiiiieder kommt das Christuskiiiiiiiiiiiind...“. Ich kann mir nicht helfen, die Floskel drängt sich einfach auf, wenn jemand wie Lemmy am 24. Dezember Geburtstag hat und dann auch wirklich jedes Jahr im Dezember vorbei kommt. Ich will ja nicht munkeln, aber der Weihnachtsmann war nie so zuverlässig. Dennoch verwundert es, dass das Konzert zwei Mal verlegt werden muss. Nach der Columbiahalle und dem Hangar 2 ist also jetzt das Velodrom dran und lässt soundtechnisch das schlimmste befürchten (zu recht, wie sich während der Konzerte herausstellen soll). Ich bin selten in so großen Hallen und freue mich sehr über die riesige Anzahl an Garderoben (und vor allem darüber, dass ein großer Teil der Besucher sich auf nicht mal die Hälfte verteilt und ich meine weiter hinten gelegene mehr oder weniger alleine in Beschlag nehmen kann), während die meisten Fans sich mit Currywurst und Bier eindecken (beides natürlich total überteuert), sich das Merchangebot anschauen (ebenso überteuert, die Leute kaufen ärgerlicherweise trotzdem wie bescheuert) oder entgegen dem Klischee ihre grenzenlose Toleranz unter Beweis stellen, indem sie das unglaublich uninspirierte Geschrammel von DIARY OF A HERO mehr oder weniger klaglos ertragen und zwischen den Songs sogar Höflichkeitsapplaus spenden. Die Truppe hat offensichtlich entweder zu viel Geld (Stichwort: Pay To Play) oder die Musiker haben für diesen Tourslot Dinge getan, über die ich lieber nicht zu genau nachdenke – an ihrer musikalischen Qualität kann der Zuschlag jedenfalls nicht liegen.

Anthrax-Chef Scott Ian wieder
auf der Gewinnerseite
ANTHRAX haben es danach umso leichter und avancieren schnell zum Überraschungssieger des Tages. Kaum eine Thrash-Legende wurde in den letzten Jahren so effektiv abgewirtschaftet (mit Ausnahme von Sepultura), was weniger musikalische Gründe hat als an Scott Ians teilweise eher weniger genialen Geschäftspolitik liegt. Das heißt: Selbst wenn einem die Truppe nur noch schwer sympathisch sein kann, muss man ihre musikalische Leistung anerkennen. Und ANTHRAX nutzen die neue Chance, die sich ihnen erst mit dem Big4-Hype und nun mit der Motörhead-Tour ergibt. 'Caught In A Mosh' verfehlt als Opener seine Wirkung nicht, und die Amis haben mit einer Mischung aus alten Brechern (einschließlich der üblichen beiden Cover) und Material von ihrem aktuellen Album „Worship Music“ schnell alle auf ihrer Seite. Ersatzdrummer John Dette macht einen überzeugenden Eindruck, und Belladonna scheint auf Dauer tatsächlich die beste Wahl zu sein. So sieht eine gekonnte Rückmeldung aus.


Ein Energiepaket: Motörhead-Drummer Mikkey Dee
Was sind das für Arschlöcher, die Lemmy erst mal schön mit Bierbechern bewerfen? Halten die sich für cool? Haben sie Komplexe? Wollen sie Aufmerksamkeit? Ich hab hier einen ausgezeichneten Holzknüppel herum zu liegen, dessen ungeteilte Aufmerksamkeit kann dieses Gesocks gerne haben. Lemmy äußert sich in einer Ansage ähnlich begeistert. Nach einer kurzen Verzögerung durch diese Arschkrampen geht es also los, und man muss leider sagen, dass trotz des hohen Fansupports schnell klar wird, dass die aktuelle Tour nicht gerade eine Sternstunde in der Historie von Motörhead ist. Auf gerade einmal 75 Minuten Spielzeit (aufgerundet) kommt das Trio heute, die Setlist ist der pure Standard, Lemmy ist überhaupt nicht gut bei Stimme und auch Phil hat irgendwie schon mal gelungener soliert. Der Fels in der Brandung ist Mikkey Dee, dessen unglaublich kräftiger Punch selbst aus einer Schmuseballade noch ein Testosteronmonster machen würde und der seine Bandkollegen in seiner ganz eigenen Art durch den Set treibt und dabei wie immer einen Blick wert ist. Ansonsten bleibt festzustellen, dass MOTÖRHEAD (und vor allem Lemmy) halt auch nicht jünger werden und selbst diese schmiedeeiserne, kaum angreifbare Institution irgendwann bröckeln muss. Das Publikum gibt trotzdem alles (ein gut-Teil sieht die Band auch zum ersten Mal) und bereitet dem Konzert dadurch ein versöhnliches Ende. Ach ja, zu 'Overkill' stürmen Anthrax noch einmal die Bühne und feiern zusammen mit dem Headliner den Tourabschluss. Eine nette Geste, die den Zusammenhalt im Tourtross demonstriert.

Setlist Motörhead
  1. I Know How to Die
  2. Damage Case
  3. Stay Clean
  4. Metropolis
  5. Over the Top
  6. Doctor Rock
  7. Guitar Solo
  8. The Chase Is Better Than the Catch
  9. Rock It
  10. You Better Run
  11. The One to Sing the Blues (including Drum Solo)
  12. Going to Brazil
  13. Killed by Death
  14. Ace of Spades
  15. Overkill
Setlist Anthrax:
  1. Caught in a Mosh
  2. Fight 'Em 'Til You Can't
  3. Antisocial (Trust cover)
  4. Indians
  5. In the End
  6. Deathrider
  7. Madhouse
  8. Got the Time (Joe Jackson cover)
  9. The Devil You Know
  10. I Am the Law

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