Dienstag, 5. März 2013

Hell Over Hammaburg 2013 – Festivalbericht


Nachdem der Sommer langsam aber sicher mit Open Airs überfüllt ist, gehen immer mehr Veranstalter dazu über, ihre Festivals nach drinnen zu verlegen, um das ganze Jahr ausnutzen zu können. Gerade im Underground bietet sich hier die Möglichkeit, Auftritte zu bündeln, die für sich genommen nicht genug Publikum ziehen bzw. Bands auf die Bühne zu holen, die keine ganzen Touren fahren wollen oder können. Das Hell Over Hammaburg hat in dieser Disziplin einige Argumente auf seiner Seite: Das Billing strotzt nur so vor seltenen und unbekannten Bands, stilistisch wagen die Veranstalter den Ritt durch den gesamten Metal-Underground, ohne sich Genrebegrenzungen aufzuerlegen. Das Konzept geht auf: In der Markthalle und dem kleineren Marx sammelt sich ein durchaus beträchtlicher Teil der Hamburger Kuttenträgerszene plus einige Gäste aus dem gesamten Land, was gut gefüllte Räume mit sich bringt. Direkt hinter dem Einlass befinden sich die Merchstände (einer pro Band), die Preise sind durchgängig in Ordnung bis spottbillig. Was die Publikumsgunst angeht, haben hier Desaster und Venenum eindeutig die Nase vorne (ein Vorgeschmack auf die Triumphzüge, die beide Bands später hinlegen werden). Unbedingt positiv anzumerken: Der durchgängig brillante Sound im Marx und der immer noch sehr gute in der Markthalle! Die Tresenkräfte sollten dagegen mal eine Weiterbildung mitmachen, denn erst zur Mitte der Veranstaltung schaffen sie es, ihre Biere tatsächlich in angemessener Qualität zu zapfen (vorher teilweise ohne Kohlensäure – pfui Spinne). Gut gefallen hat mir die bereits gemachte Ankündigung, dass die Spielzeiten im nächsten Jahr entzerrt werden sollen – dieses Jahr gab es einige schwierige Entscheidungen. Aber irgendwas verpasst man ja eh immer.

OBELYSKH (Marx) und SCREAMER (Markthalle) eröffnen den Tanz der Nackenmuskulatur. Ich entscheide mich für das Marx und bereue das nicht, denn OBELYSKH legen einen starken Gig auf die Bretter, der neben der großen Musik (Black Sabbath meets Satrurnalia Temple in modernisierter Mixtur und mit leichtem Black Metal Einschlag) auch vom Enthusiasmus der Musiker lebt. Die sind vermutlich am überraschtesten über das grandiose Feedback, das sie erhalten („Wir sind OBELYSKH aus Fürth, und wir haben euch unterschätzt“). In den Ansagen fragen die vier immer wieder nach Fußballspielständen, musikalisch regiert dagegen die große Atmosphäre. Am Ende machen die vier noch mal schön ihr Equipment platt.

BLACK SHAPE OF NEXUS stoßen musikalisch in ein ähnliches Horn, sind dabei aber nochmal eine ganze Ecke SCHWERER als alles, was sonst auf diesem Festival spielt. Drone Gitarren vermischen sich mit den unmenschlichen Schreien des Sängers, der sein Mikrophon am Hals trägt und daher komplett unbekannte Klangbilder erzeugen kann – in Kombination mit seiner psychopatischen Performance eine beängstigende Erfahrung, die durch die vielen Rückkopplungen, die entstehen, wenn er sich zu nah an den Monitorboxen auf den Boden fallen lässt, noch gesteigert wird. Eine Wahnisnnsperformance, die das Publikum in seinen Bann zieht.

Dennoch wird es Zeit für den ersten Wechsel in die Markthalle, in der ATTIC beweisen, dass sie auf der Tour mit The Devil's Blood eine Menge Erfahrung gesammelt und Reife erlangt haben. Der Gesang der Mercyful Fate-Verehrer ist besser als auf den bisherigen Studioaufnahmen, die Saitenfraktion hat einen wahnsinnigen Sprung nach vorne gemacht und der Fünfer ist beweglicher denn je, was durch die große Bühne natürlich noch unterstützt wird. Ein großartiger Auftritt, der ATTIC für höheres qualifiziert und gegenüber Portrait und In Sollitude einen ordentlichen Vorsprung gibt.

Der Auftritt von GOLD ist dagegen eine zwiespältige Angelegenheit: Die Instrumentalfraktion hält alles, was das Album verspricht und überzeugt zudem mit einer angenehmen Spontanität. So gefühlvoll muss man erst mal spielen können! Sängerin Milena ist dagegen Fluch und Segen zugleich – ihre Stimme ist einzigartig und charakteristisch, ihre Performance extrovertiert und sehr sehenswert, allein ihre Gesangsleistung leidet doch stark unter letzterem. Häufig verfehlt sie die Töne um meilenweite Distanzen, zudem bewegt sie sich immer wieder vom Mikro weg, wodurch kein konstanter Ton erreicht wird. Mit der Zeit mag sie diese Schwächen zu kontrollieren lernen, doch dazu muss sie konzentriert an ihnen arbeiten, damit sie ihren Mitstreitern auch musikalisch Paroli bieten kann.

Da verwundert es nicht, dass es mich bereits nach kurzer Zeit zu VENENUM in die Markthalle zieht. Die Death Metaller haben das Publikum von der ersten bis zur letzten Reihe auf ihrer Seite und fahren ein fieses und dreckiges Death Metal Brett auf. Der Auftritt wurde von vielen Leuten mit Spannung erwartet, und es spricht für den Vierer, dass er sämtliche Erwartungen übertreffen kann und damit seinen Status als beste neue Death Metal Band der alten Schule zementieren kann. Hier wirkt nichts altbacken, nur unglaublich brutal und - und das hat dem Death Metal in den letzten Jahren ab und an mal gefehlt – unglaublich lebendig. Ein Siegeszug!

DENIAL OF GOD sind sicherlich sehenswert, doch mich zieht es schnurstracks zu den leider verspäteten ESSENZ, die mich vom ersten Augenblick an zu fesseln vermögen. Doom, Drone, Black und Death Metal werden zu einer ganz eigenen Melange vermischt, zäh und unbarmherzig, schnell und vernichtend, Lava und Maschinengewehre, schwer verdaulich und gerade darum brillant – die finstere Stimmung zieht mich an wie ein Mahlstrom und lässt mich nicht los, bevor mit dem Mayhem-Cover 'Freezing Moon' der letzte Ton gespielt wurde.

SLINGBLADE sind danach das komplette Kontrastprogramm und mögen mich nicht so recht begeistern, weshalb ich nach kurzer Zeit in die Markthalle wechsle, die von DESASTER komplett abgerissen wird. Ganz ehrlich: Sympathisch waren die Oldschooler schon immer, doch ein echtes Livesahnestück wie heute haben sie bisher nicht abgeliefert. Das neue Material bringt ein bisschen mehr Abwechslung in den Set, ohne die Härte zurückzuschrauben. Das Kreator-Cover 'Tormentor' passt hier wie die Faust aufs Auge und hinterlässt nur verbrannte Erde.

JESS AND THE ANCIENT ONES sind, das muss man ganz klar sagen, eher Rausschmeißer als Headliner und können nur noch die Asche eines ganzen Tages zusammenfegen. Die musikalische Leistung ist solide, doch in Sachen Ausstrahlung ist noch viel Luft nach oben, und das Songmaterial ist und bleibt stark durchwachsen (ich empfehle die durchgängig starke „Astral Sabbat“-EP, die das Album um Längen schlägt). Alles in allem noch sehr steigerungsfähig, und ich hoffe, dass mit größerer Liveerfahrung diese Steigerung auch tatsächlich noch kommt. Zeitgleich lassen sich Krachfans nach der Stumpf-Ist-Trumpf-Methode von WARHAMMER verprügeln, was mir persönlich jetzt gar nix gibt, den Besuchern aber gut gefallen hat.

Fazit: Für die nächste Auflage ist bereits Atlantean Kodex bestätigt, und ich kann nur allen empfehlen, die Reise nach Hamburg im nächsten Jahr zu wagen. Neben dem Stromgitarrenfest ist das hier DAS Indoorfestival für den Underground.

Felix Patzig

1 Kommentar:

Fingerlose Handschuhe hat gesagt…

Freue mich schon voll auf das Festival. war letztes Jahr da und es war wirklich der Wahnsinn, kann es jedem empfehlen !