Sonntag, 13. Dezember 2009

Coppelius, Cora Lee & Support @ Columbiaclub (Review)

Coppelius, Cora Lee & CorleeMad, Silent Poem, Remember Twilight
Berlin, Columbiaclub – 5.12.2009

Entwickeln sich auch nach über 200 Jahren noch neue Traditionen? Nachdem die edlen Herren von COPPELIUS uns letztes Jahr den Nikolaus versüßt haben, ist heute der Tag vor Nikolaus dran. Und wie letztes Jahr strömen auch dieses Jahr die Anhänger, um der ältesten Rockband der Welt aufzuwarten. Ja, der gute Ton ist gefragt wie nie, und man kann COPPELIUS nur wünschen, dass es auch so bleibt.

Was wäre Berlin nur ohne sein Nahverkehrssystem? Das bekomme ich an diesem Abend in aller Härte zu spüren, als sich ein Teil des genannten Nahverkehrssystems mal eben verabschiedet, und ich dadurch leider viel zu spät komme. REMEMBER TWILIGHT sind da schon lange fertig und SILENT POEM gut bei der Sache. Letztere haben mit ihrem schrägen Alternativ/Folk/Was auch immer- Mix leichtes Spiel. Der kauzige, Kontrabass spielende Fronter ist ein starker Unterhalter, die Musik irgendwie krude, vor allem, da die Band sich nicht davor scheut, auch mal einen Tango einzubauen oder den NDW-Hit „Der goldene Reiter“ zu covern. Ich glaube nicht, das die Musik auf Platte sonderlich spannend ist, aber live funktionieren SILENT POEM ganz ausgezeichnet.

„Nanu, jetzt kommt wohl Hippiemucke…“, denke ich mir, als ich die halb-akustische Instrumentierung von CORA LEE & CORLEEMAD sehe. Versteh mich keiner falsch, ich hab nix gegen Hippies, und auch deren Musik ist in der Regel zumindest halbwegs zu ertragen. Als die Truppe dann aber anfängt, sehe ich meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Nennt es Kelly Family für (sehr) Arme, nennt es Pseudo-Folk Pop, jedenfalls ist gähnende Langeweile angesagt. Das soll die „weibliche Note“ des Konzertes sein, von der die Sängerin geschwafelt hat? Da liegt mir schon fast wieder ein chauvinistischer Kommentar auf der Tastatur…belassen wir es dabei, dass die Band hier und heute definitiv überflüssig war und Raucher und Nichtraucher gleichermaßen in den Raucherbereich getrieben hat.

COPPELIUS sind danach mehr als nur ein würdiger Headliner, sie sind die Erfrischung, die einem streikende Schienenkutschen und unschön anzuhörende Trällerelsen aus den Knochen bläst. Die werten Herren präsentieren sich springlebendig, woran auch die neuen Maßanzüge nicht ganz unschuldig sein dürften, die die Gehröcke ersetzen. Zwei Stunden lang präsentieren sich COPPELIUS in Höchstform und geben dem werten Auditorium einen höchst kurzweiligen Konzertabend. Die Setlist bietet einen guten Querschnitt aus den Demos und den beiden Alben, wobei die Betonung natürlich auf dem aktuellen Album „Tumult“ liegt, dass auch einige klasse Livesongs zu bieten hat. Leider fallen dafür „Killers“ und mein Lieblingslied „Morgenstimmung“ hinten runter.
Optisch hat das Sextett aufgerüstet, zusätzliche Backdrops hängen neben dem Banner, und auch die Lichtanlage ist größer als vor einem Jahr. Der Sound ist leider nicht ganz so gut geraten, er ist ziemlich basslastig und häufig ein wenig matschig. Das stört bei der Spielfreude der Band aber kaum. Vor allem Graf Lindorf weiß mehr denn je zu überzeugen, spielt großartige Soli, singt viel häufiger und bricht häufiger aus seiner eher introvertierten Art aus. Doch die anderen Mitglieder stehen dem Grafen in nichts nach, und so vergehen die zwei Stunden viel zu schnell. Mit „1916“ ist der Ausklang des Abends ausnahmsweise mal ein ruhiger, was nach zwei Stunden Nackengymnastik auch mal gut tut.

Fazit: Manche Traditionen sollte man etablieren, und das Nikolauskonzert von Coppelius gehört definitiv dazu.


Review von: Felix
Bilder (folgen) von: Solveig Litzki

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