Berlin, Columbiaclub – 15.3.2011
Overkill, Destruction, Heathen, After All
Das letzte Berlin Konzert ist gerade mal ein Jahr her, und doch wagen sich Overkill wieder in die Hauptstadt. Mit dabei haben sie diesmal allerdings ein hochklassiges Package aus den beiden Thrash Legenden Destruction und Heathen. Ergänzt wird der Dreier von After All, die als einzige Band des Abends den meisten anwesenden Fans unbekannt sind. Positiv fällt auf, dass sie die einzigen sind, die ihre Shirts für 15 € anbieten – für alle anderen Bands gelten die Nuclear Blast Standart Sätze (Patch 5 €, CD 15 €, Shirt 20€), die für mein Verständnis schon an der Obergrenze rangieren.
Man ist noch gar nicht richtig da, da geht es auch schon los – 19:30 Uhr stehen AFTER ALL bereits auf der Bühne. Und während ich bei dem Bandnamen schlimmsten Metalcore befürchte, bewahrheitet sich dies dankenswerterweise nicht. Stattdessen wird ein doch recht traditioneller Mix geboten, der zwischen Power Metal der amerikanischen Schule und melodischen Thrash, der schnörkellos und voll auf die Zwölf dargeboten wird. Dazu hat man einen Fronter, der Gutturagesang, Klares und Falsett aus dem Effeff beherrscht. Lediglich am Stageacting sollte der Vierer noch feilen, hier ist noch Luft nach oben. Das stört aber nicht wirklich. Obwohl das Berliner Publikum zu weiten Teilen eher interessiert zu guckt als ekstatisch mitzubangen, können sich AFTER ALL gut präsentieren und haben sicherlich den einen oder anderen Fan dazu gewonnen.
Nun kommen HEATHEN. Das Tourmanagement hat der Bay Area Legende wie auch den nachfolgenden Destruction ein paar Knüppel zwischen die Beine geworfen. Unter anderem kein Soundcheck und eine lächerliche Spielzeit von gerade mal 35 Minuten. Das bedeutet bei den Überlangsongs von HEATHEN, dass zwangsläufig einiges auf der Strecke bleiben wird. HEATHEN entscheiden sich für die riskante Vorgehensweise und spielen ausschließlich Material vom neuen Album „The Evolution of Chaos“. Die Setlist liest sich für Die Hard Fans dementsprechend etwas enttäuschend – „Dying Season“, „Control by Chaos“, „Arrows of Agony“ und „No Stone Unturned“. Für die Klasse der neuen Songs spricht, dass die Stimmung trotzdem heftig steigt, auch wenn man den einen oder anderen nach dem Gig nörgeln hört – das ist bei solch kontroversem Vorgehen natürlich logisch, ändert aber nichts daran, dass alle vier Songs live großartig funktionieren und sich der Fünfer in Bestform zeigt. Die doppelläufigen Gitarren sind ganz großes Ohrenkino, und lediglich beim letzten Song merkt man, dass HEATHEN nicht so häufig zusammenspielen wie Lee Altus übliche Spielwiese Exodus – bei der der Saitenmagier aber auch komplett unterfordert ist, wie sich heute zeigt.
Vor dem Konzert zeigen sich DESTRUCTION schwer erkrankt – zumindest Schmier und Maik laborieren, wie wohl auch weite Teile des restlichen Tourtrosses, an schweren Erkältungen. Auf der Bühne zeigt sich davon nichts – viel zu kurze 45 Minuten lang zeigt das Trio, wo der Hammer hängt. Anders als Heathen haben sie mit ihren deutlich kürzeren Songs etwas mehr Spielraum, was die Setlistgestaltung angeht. Sie entscheiden sich für einen Set, der die meisten Bandphasen abdeckt. Das reicht nur für zwei neue Songs („Armaggedonizer“ und „Hate is my fuel“), dafür setzen DESTRUCTION auf „Curse the Gods“ und „Mad Butcher“ als Doppelopener, um dann einen Streifzug durch ihre Karriere anzutreten. Dabei wird „Devolution“ genauso berücksichtigt wie „Thrash Till Death“, „Tears of Blood“, „Bestial Invasion“, „Nailed to the Cross“ und der Rausschmeißer „The Butcher strikes back“. Ansagen gibt es nur wenige dazwischen, diese sind aber zumindest gehaltvoll, so erinnert Schmier an die Tour mit Slayer in den 80ern und macht auch auf die aktuellen Ereignisse in Japan aufmerksam (was ihm von einem nicht übermäßig schlauen Frischluftverbraucher den Kommentar „Jetzt heult der schon wieder rum“ einbringt). Ein starker Gig, bei dem allenfalls der zu basslastige Sound gestört hat.
Danach ist es Zeit für OVERKILL, die ihren Set gegenüber dem letzten Jahr nur wenig variiert haben und in super Stimmung sind. „The Green and Black“ und „Rotten to the Core“ sind einfach mal ein geiles Startpaket und treibt die Stimmung nach oben. Bei starkem Sound und einer super eingespielten Band bangt sich das Publikum, bis die Wirbel knacken. „Wrecking Crew“ ist wieder Dauergast im Set, was definitiv erfreulich ist, und „Bring me the night“, „Iron Blood“ oder „Infectious“ stehen diesem Hit natürlich kaum nach. Dazwischen gibt Bobby seine kauzigen Ansagen zum Besten („Macht mal Lärm, ich hab nichts zu sagen“) Bei „Hello from the gutter“ passiert es dann: Gitarrist Derek ist plötzlich nicht mehr auf der Bühne, und der Song wird zu viert zu Ende gespielt. In der nächsten pause folgt dann die Erklärung – Derek liegt hinten, und ein Notarzt ist bereits verständigt, der auch kurze Zeit später eintrifft. Die Band spielt noch „Elimination“ und „Fuck you“ und gibt auch noch einmal alles, bricht das Konzert danach aber ab, was nur allzu verständlich ist. An dieser Stelle: Gute Besserung Derek!
Fazit: Starkes Konzert mit krankheitsbedingtem Ausgang – niemand kann der Band einen Vorwurf machen. Was man aber einfordern kann, ist eine längere Spielzeit für Destruction und Heathen. Wozu nimmt man sich so großartige Bands denn bitte mit, wenn man sie dann verfeuert?
Review von Felix Patzig
Fotos von Fabien Blackwater
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