Dienstag, 26. April 2011

Kings Of Black Metal 2011 - Review


Zum dritten Mal ist es soweit, das „Kings of Black Metal“ ruft die Elite der Schwarzmetalszene zusammen. Zum ersten Mal findet das nicht im beschaulichen Gießen, sondern im noch viel beschaulicheren Alsfeld statt. Begründet wurde das mit größerer Hallenkapazität und besserem Sound, und zumindest letzteres wurde definitiv erreicht, während der Gemütlichkeitsfaktor in Gießen gerade durch den abgetrennten Metalmarkt mit vielen Sitzgelegenheiten definitv höher war. Was die Kapazitäten angeht: In die Stadthalle Alsfeld passen laut eigenen Angaben rund 1800 Leute – viel mehr als in Gießen ist das sicherlich nicht, was allerdings auch reichlich egal ist, weil die Veranstaltung so oder so nicht ausverkauft ist. Aber, wie gesagt, der Sound ist fast durchgängig gut und vor allem verdammt LAUT, und allein dafür hat sich der Umzug in die neue Halle gelohnt. Der Nachteil ist, dass man nach Alsfeld längst nicht so gut hin und später wieder wegkommt, wie das bei Gießen der Fall ist. So mussten viele Leute, die nicht mit Auto gekommen waren und die Wuchershuttlepreise (15 Euro pro Person für einen Kleinbus) nicht bezahlen konnten oder wollten, bis zum nächsten Morgen um 9 Uhr warten, bis sie die Heimreise antreten konnten. Ich möchte an dieser Stelle niemandem den schwarzen Peter zuschieben (wenn Busunternehmen und Bahn nicht kooperativ sind, kann auch der Veranstalter nichts machen), aber wenn man sich dafür entscheidet, einen derartig schlecht angebundenen Ort als Austragungsort zu wählen, muss das Verkehrskonzept einfach mal stimmen. Ich möchte dringendst anregen, diese Frage für nächstes Jahr zu berücksichtigen.
Ein Punkt, der unter gar keinen Umständen den Veranstaltern angelastet werden kann (und auf den sie auch schon in einem Statement hingewiesen haben), ist das Verhalten einiger Besucher im Umfeld des Konzertes. Ich habe selten ein derartig asoziales Publikum in der (Black) Metalszene erlebt. Da wurden mehrfach Gläser auf dem Vorplatz der Stadthalle zerschmissen, da wurden teilweise im gesamten Stadtgebiet Rufe zwischen Pavianbrunftschreien und rassistische Parolen in Mallorca-Ich-bin-total-besoffen-und-dumm-und-muss-mich-artikulieren-Lautstärke und -Tonfall zum besten gegeben, usw. Ultraevil, ihr habt bestimmt alle zur Vernichtung der Welt beigetragen. Auf gesunden Menschenverstand sollte man wohl nicht mehr hoffen, aber zumindest sollten sich solche Leute klar sein, dass sie sich selbst damit am meisten schaden, denn je schlechter der Ruf der Fans ist, desto schwieriger wird es, die Veranstaltung nach Alsfeld zurück zu bringen. Preiserhöhungen oder ein weiterer Standortwechsel sind hier keineswegs ausgeschlossene Maßnahmen (zur Erinnerung: Wenn der Parkplatz vor der Halle stark verschmutzt wird, muss man den wieder reinigen, und je umfangreicher man das machen muss, desto teurer wird es auch).

In der Halle angekommen, ist es von Anfang an recht voll, und die Stände, die teilweise sehr schöne Sachen verkaufen, sind von Anfang an gut frequentiert. Ein weiteres Mal stört mich allerdings , dass Nazimist der ganz üblen Sorte verhökert wird. Wer diesen Dreck verkauft, kauft oder als Veranstalter toleriert, sollte sich mal eines klarmachen: Black Metal kann nur in einer freiheitlichen Gesellschaft existieren, denn in einem faschistischen System (egal welcher politischer Colleur) ist alles, was heute als rebellisch gilt, definitiv verboten und unter Strafe. Wer auf Unterdrückung steht, soll sich mal die ganzen coolen Black Metal Bands aus Nordkorea oder Myanmar anhören.

A propos coole Bands, los geht’s:
Under that Spell: Im hellen Tageslicht (die Dachfenster können aus Brandschutzgründen nicht abgehangen werden) kommen UNDER THAT SPELL nicht sofort zum Zug und brauchen ein, zwei Songs, um Atmosphäre aufzubauen. Als sie allerdings zum Ende ihre dunkelsten und schwersten Nummern auspacken, haben sie die vielleicht zu einem Drittel gefüllte Halle auf ihrer Seite, und die Zuschauermeute wächst beständig an. Und das auch durchaus zu Recht, denn in ihren besten Momenten glänzen die Fünf mit klirrender Kälte und alles verschlingender Finsternis. Am Stageacting sollte noch gearbeitet werden, dennoch ist der Gesamteindruck definitiv positiv.

Alcest: ALCEST sind gerade dabei, groß zu werden, und wenn man sich ihren leider nur aus drei Songs bestehenden Set anhört, weiß man auch warum. Die Mammutkompositionen irgendwo zwischen Moonsorrow, Wolves in the Thronerrom und einem kleinen Schuss Urfaust ziehen einen sofort in den Bann. Die Atmosphäre ist dabei zum einzigen Mal heute grundlegend positiv, wenn auch melancholisch. Die Stücke umschmeicheln das Ohr, anstatt sich darin festzufräsen. Auch wenn man damit nur bedingt ins Black Metal Klischee passt, räumen ALCEST heute zu Recht ab.

Dagegen können die Klischeepandabären von CIRITH GORGOR, die kurzfristig als Ersatz für Troll einspringen, nicht so recht anstinken. Dennoch schagen sie sich mehr als wacker und würzen ihren an sich traditionellen bis eher langweiligen Black Metal immer wieder mit ungewöhnlichen Einsprengseln wie melodischen Soli und Grooveparts. Das tut gut und rettet der Band vieles, denn es schafft Identität. So haben sie am Ende des Auftritts auch viele Leute auf ihrer Seite.

Da können CORPUS CHRISTI aber noch einen draufsetzen. Die Anzahl der Rotoren erhöht sich noch einmal, als die fünf Musiker ihren Black Metal zum Besten geben. Der ist ziemlich gutklassig und passt in seiner eher konservativen Art gut auf dieses Festival. Das Tempo wird meist hoch gehalten, das Gekrächze fügt sich gut ein und ist schön aggressiv. Nur Zeit scheint man nicht genug zu haben. Der Stagemanager sagt plötzlich: Das war's, runter von der Bühne. Nach ellenlangen Diskussionen und gegen den Widerstand des Stagemanagers werden noch zwei Songs gespielt, bei einem mit Unterstützung durch einen Feuerspeier.

Trotz langem und umfangreichem Soundcheck haben DORNENREICH von Anfang an Probleme mit dem Sound. Die zwei Akustiksongs gehen noch an, aber beim Metalset geht die Gitarre gegenüber dem Schlagzeug eindeutig unter. Wirklich schlimm ist das nicht, denn es ist vor allem der Gesang und die Geige, die im Fokus der Aufmerksamkeit stehen. Geiger Inve legt dabei eine mehr als solide Leistung hin, die sein durch schlechten Monitorsound schiefes Spiel vom Metalfest vergessen machen. Was den Gesang von Eviga angeht: Der ist einfach mal stark Geschmackssache. Ich für meinen Teil finde ihn grauenhaft lasch, wie ich auch das Songmaterial als höchst zahnlos empfinde. Die zahlreich anwesenden Fans von DORNENREICH sind hingegen begeistert und kleben Eviga an den Lippen, während die obertrue Black Metal Elite fluchtartig den Raum verlässt oder zumindest finster in der Gegend rumguckt. Unterm Strich liefert die Band wohl eine solide Leistung ab, ist hier und heute aber tendenziell deplaziert.


Es ist schön zu sehen, dass ENDSTILLE nach kurzen Abwegen wieder auf dem Weg der Besserung sind. Sänger Zingultus hat sich eingelebt und fügt dem schon immer brutalen Sound in seiner Performance eine mehr als starke Nuance Wahnsinn hinzu. Seine Performance ist komplett überdreht, chaotisch und zerstörerisch und passt in dieser Art wunderbar zu ENDSTILLE. Lediglich einige Fotografen müssen darunter leiden, weil ihre teuren Arbeitsgeräte im Bier ertrinken. Die Setlist ist hingegen stark wie immer, Höhepunkte sind der Opener „Dominanz“, „Frühlingserwachen“ und der Rausschmeißer „Navigator“.


Bei aller Liebe für ein abwechslungsreiches Billing, aber was soll der Unsinn denn? Man braucht keine Rock'n'Roll Band auf einem Black Metal Festival, und schon gar keine dritklassige, die keinen echten Groove und nicht mal ein Minimalfeeling hat. Die Rechtfertigung liegt wohl in der Anwesenheit von Shagrath von den Eigentlich-schon-nicht-mehr-Black Metallern Dimmu Borgir, die Qualität der Mucke kann jedenfalls nicht der Grund sein. Komplett ohne Dynamik (stark getriggerte Drums) spielt man sich durch einen sogenannten Rock'n'Roll Set, der ungefähr so sehr rollt wie ein Bilderrahmen. Wer besoffen genug ist, mag den Kram trotzdem gut finden, aber spätestens als CHROME DIVISION in einer bleischweren Version „Whole Lotta Rosie“ covern, kann der geneigte Musikfan sich eigentlich nur noch kopfschüttelnd abwenden.

Bei den Norwegern rollt da schon viel mehr. Überhaupt, TAAKE erwischen heute einen guten Tag, beschränken sich auf das Wesentliche und haben laut diversen Die-Hard Fans heute eine spitzenmäßige Setlist am Start. Das glaube ich ihnen gerne, denn als jemand, den die Norweger bisher eher gelangweilt als wirklich interessiert haben, kann ich mich dem bei aller klirrenden Kälte immer gut groovendem Sound des Sets nicht entziehen. Dafür schonmal meinen Respekt. Auch Sänger und PC-Experte Hoest ist gut bei der Sache und liefert eine Gesangsleistung ab, bei der die Mehrheit der Konkurrenz komplett in die Knie gehen muss. Basisch, finster und kalt, so und nicht anders hat ein Black Metal Konzert auszusehen.


Die Verwunderung, dass es die Amis auf die Co-Headliner Position geschafft haben und die neben Watain und Endstille längste Spielzeit erhalten, ist ziemlich groß. Verstehe mich keiner falsch, INQUISITION sind eine tolle Band, aber den Status habe zumindest ich ihnen definitiv nicht zugetraut. Wie dem auch sei, das Duo lässt Taten bzw. Songs sprechen, und die sprechen bekanntermaßen ihre eigene Sprache. Monumentale Überlangnummern, die die Zeit wie im Flug vergehen lassen, stehen auf dem Programm, und der Sound ist, betrachtet man, dass der Bass fehlt, ziemlich beeindruckend. INQUISITION legen eine bewusste Betonung auf ihr letztes Werk „Ominous Doctrines of the Perpetual Mystical Macrocosm“, was sichtlich gut ankommt. In lediglich zwei Ansagen bedankt sich Sänger/Gitarrist Dagon beim Publikum und erklärt komplett unaufgesetzt das Festival zu seiner zweiten Heimat. Ansonsten singt und schreit er, dass es eine wahre Freude ist, und schleudert mit viel Wucht, aber mindestens genauso viel Gefühl seine Riffs in die Halle.

Da es schon spät ist, leert sich der Saal in der überlangen Umbaupause etwas. Kerzenständer, Tiergerippe, umgedrehte Kreuze, Flammenwerfer und ein im Vergleich zu anderen Konzerten recht umfangreicher Altar gehören zu den optischen Gimmicks, an denen die Crew schon den ganzen Tag in sämtlichen Umbaupausen bastelt. Nun werden die Kerzen angezündet, die die Bühne zusammen mit spartanischer Bühnenbeleuchtung in ein gespenstisches Licht tauchen. Beim Soundcheck deuten sich allerdings bereits technische Probleme an, die die Band das ganze Konzert über in Atem halten könnten. Und so kommt es auch: Nach dem mächtigen Orgelintro und dem umjubelten Opener „Malfeitor“ fällt Seth Teitans Gitarre bei „Storm of the Antichrist“ das erste Mal aus, bei „The Devil's Blood“ muss sogar komplett abgebrochen und neu eingestiegen werden, weil beide Gitarren zeitgleich ausfallen. Zudem scheint der Monitorsound zumindest anfangs ziemlich schwach zu sein, jedenfalls sind die Blastbeatstellen bei „Storm of the Antichrist“, „The Devil's Blood“ und „Reapinf Death“ erschreckend untight. Das die Laune der Musiker dabei nicht unbedingt steigt, ist nachvollziehbar, so sieht Seth Teitan mehrfach so aus, als ob er gleich gewalttätig wird. Das WATAIN trotz dieser widrigen Umstände ihre übliche Liveenergie entfachen können, ist beeindruckend. Dies wird durch die Setlist noch verstärkt. Nach den genannten Startsongs kommt die erste Rarität, der Titelsong des Debütalbums „Rabid's Death Curse“, der einem die Schauer gleich reihenweise den Rücken runter jagt. Danach kommen „Total Funeral“ und das verdammt mächtige „The Serpent's Chalice“, bevor die Musiker eine Pause einlegen und in bedächtiger Ruhe vier Feuerbecken am Rand des Schlagzeugpodestes anzünden – leider will das von Basser A. nicht so recht brennen, weshalb er kurzentschlossen einfach die ganze Fackel reinlegt und ausbrennen lässt. Nach diesem publikumswirksamen Ritual packen WATAIN die eigentlichen Schätze aus und ziehen ohne weitere Ansagen einen Block durch, bei dem die Musik auch locker für sich selbst sprechen kann. „Four Thrones“ wurde meines Wissens nach noch nie gespielt und kommt live viel stärker rüber als auf dem Album, mit „Stellarvore“ verdunkelt sich der Himmel und „The Somberlain“ hält die Legende Dissection am Leben – die Version ist die einzige mir bekannte, die ein eigenes Feuer besitzt und nicht einfach nur die schwedische Ausnahmeband kopiert. Den Endpunkt setzt das epische „Waters of Ain“, der bisherige Höhepunkt im Schaffen von WATAIN und die intensivste Vertonung von Dunkelheit, die mir bekannt ist. Absolut großartig!


Fazit: Organisatorisch muss sich das Festival noch am neuen Standort einleben, ansonsten gibt es aber nicht viel zu meckern. Und bitte Leute, nehmt Rücksicht auf euer Festivalgelände und macht es den Veranstaltern nicht schwerer als es sein muss, das „Kings of Black Metal“ durchzuführen.

Review von Felix P.
Fotos von Jacqueline E.

Alle Fotos vom KINGS OF BLACK METAL Festival 2011 gibt es HIER.

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