Samstag, 27. Oktober 2012

Serj Tankian Live Review - Huxleys Neue Welt Berlin



Gilt für Securities eigentlich akademisches Viertel? Ich glaube, ich hatte noch kein einziges Mal einen exakt pünktlichen Einlass, irgendwas um 15 Minuten zu spät ist er immer. Dankenswerterweise kommt man heute reibungslos rein, was auch wichtig ist, denn bereits eine halbe Stunde nach Einlass geht die erste Band auf die Bühne. Also wenig Zeit, um mal kurz am Merchandise-Stand zu schauen (25 € pro Shirt, 10 € pro CD, die Vorbands sind billiger) und sich dann am besten gleich einen guten Platz zu suchen.

Wobei man zumindest auf das THE HOLLYWOOD ARSON PROJECT auch gut hätte verzichten können. Postrock von der ganz nervigen Sorte steht auf dem Programm, austauschbar, musikalisch lahm (wenn auch optisch engagiert), komplett überflüssig. Das ein Teil des Publikums den Kram auch noch gut findet, kann den Eindruck, dass die Truppe nur dabei ist, weil ein Teil auch bei Serjs Backing Band The Flying Cunts Of Chaos spielt, auch nicht wirklich abschwächen.

Bei VIZA (die sich wiederum einen Gitarristen mit The Hollywood Arson Project teilen) wird es für mein Empfinden nicht besser - was aber primär daran liegt, dass ich World Music halt nicht abkann. Das Septett wäre prima Standunterhaltung für den Karneval der Kulturen, und im Publikum steppt der Bär. Das ich die Songaufbauten und Klangbilder für unglaublich flach halte, ist dementsprechend mein Problem. Trotzdem, das Cover von The Doors 'Alabama Song' ist mit grenzwertig noch sehr wohlwollend umschrieben.

Dann betritt endlich SERJ TANKIAN die Bühne, und sofort fängt das Huxleys an, zu beben. Der Holzboden war schon immer gut dafür geeignet, dem Publikum beim Hüpfen einen zusätzlichen Adrenalinstoß zu geben, und Serj nutzt das mit dem Blitzopener 'Figure It Out' aus, um sofort klarzustellen, wer hier der Chef im Ring ist. Live profitieren viele Songs (u.a. 'Empty Walls', 'Occupied Tears' oder 'Feed Us') von einem erhöhten Härtegrad und einer engeren, fokussierteren Stilausrichtung, die dem Liveerlebnis entgegenkommt und im krassen Gegensatz zur Grenzenlosigkeit von Serjs Alben steht - ein reizvoller Kontrast, der dem Publikum zudem eine zu statische, an den Vorbildern festgeklammerte Interpretation der Hits erspart. Der Meister selbst glänzt neben seiner Stimme noch an der Gitarre, am Synthie, am E-Piano (letzteres bei der fantastsichen Zugabe 'Gate 21') und - natürlich - in seinen engagierten Politansagen, die zu dem Sänger mindestens genauso dazu gehören wie seine Stimme (und die nie in die Kloake der billigen Populismus-Parolen abrutschen - dieser Mann hat tatsächlich etwas zu sagen! Danke dafür!). Seine Mitmusiker - so fähig sie auch sind - können gar nicht anders, als neben dieser schillernden Ausstrahlung zu verblassen, obwohl Serj ihnen genug Platz einräumt und sich überhaupt nicht wie ein egozentrischer Superstar des Schlages Axl Rose benimmt. Die Fans wissen das zu würdigen und feiern nicht nur "Ihren" Star, sondern die gesamte Band komplett ab. Höhepunkt ist allerdings trotzdem der in der Zugabe verbratene System-Hit 'Aerials', bei dem die ganze Halle noch einmal komplett Kopf steht, bevor nach 90 Minuten Schluss ist.

Fazit: Solange Serj derartig intensive Konzerte gibt, werde ich für meinen Teil mir die überteuerten System-Tickets sparen.

Felix Patzig

Keine Kommentare: