Sonntag, 14. April 2013

Live Review Hypocrisy - Berlin, K17


Hypocrisy-Europatouren sind verflucht! Bereits bei der 2010er-Tour musste die
zweite Vorband (seinerzeit war es Hatesphere) kurz vor Berlin absagen, diesmal sind es Hate. Der Anlass dafür ist umso trauriger: Bassist Mortifer verstab einige Tage zuvor im Tourbus. Dessen Tod ist eins der Hauptgesprächsthemen der Fans, die Tourorganisation macht hingegen aus der Not eine Tugend und verordnet den anderen beiden Bands längere Spielzeiten, einen Preisnachlass gibt es dagegen nicht. Der Gang zum Shirtstand hält verhältnismäßig hohe Preise (20€ für ein Shirt auch für Essence) bereit, der Andrang ist trotzdem groß, was auch daran liegt, dass das K17 voll wie selten ist, und Zeit dafür ist auch genug, denn der Beginn verschiebt sich um eine halbe Stunde nach hinten.

ESSENCE legen los und können sich gleich über viel Zuschauerzuspruch freuen – bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die Truppe stilistisch (technischer Thrash Metal mit Spät-Schuldiner-Versatzstücken) nicht so recht zum Headliner passen will. Tatsächlich ist an der Instrumentalfront alles in Ordnung, der Krächzgesang ist dagegen stark gewöhnungsbedürftig und das Songmaterial hat häufig einen Schlenker zu viel drin, was den Hörgenuss auf Dauer erschwert. Etwas mehr Schmiss in den Riffs wäre wünschenswert. Die Bühnenpräsenz geht dagegen mehr als in Ordnung, so dass das Fazit durchaus positiv ist.

HYPOCRISY gehen danach in die Vollen: Eine für diesen Club schon zu große, grell blendende Lichtanlage, mehrere große Banner und eine top-eingespielte Band, die mit dem Titelsong des aktuellen Albums „End Of Disclosure“ einsteigt und sofort das gesamte Publikum auf ihrer Seite hat. In den folgtenden 100 Minuten bleibt kein Stein auf dem anderen und die Temperaturen im K17 erreichen bedenkliche Höhen. Wie immer bei Headlinergigs reichern die Schweden ihre unverzichtbaren Standarts (u.a. 'Roswell 47', 'Fractured Millenium', 'Fire In The Sky', 'Eraser') und Neuwerke mit ein paar Raritäten an (u.a. 'Buried', 'Left To Rot' und 'Necronomicon'), was dementsprechend Neuzugänge, Gelegenheitshörer, Altfans und absoluten Fanatiker gleichermaßen bedient. Auch die Mischung aus epischem Midtempomaterial und schnellen Brechern stimmt, wodurch keine Stimmungslöcher entstehen, aber ab und an für Musiker wie Publikum gleichermaßen nötige Verschnaufpausen eingelegt werden. Tränensäcke-Of-Hell-Peter ist gut drauf und heizt die Meute mit einer lockeren Selbstverständlichkeit immer weiter an, dass einem das schon Bewunderung abringt. Selbst der Sound spielt mit, auch wenn die Truppe sich mal einen Livekeyboarder zulegen könnten, genug Einsatzstellen sind definitiv vorhanden und die ganzen Keyteppiche aus dem Off bringen unnötige Statik in die Performance. Das ist aber Jammern auf hohem Niveau, denn sicherlich geht kein HYPOCRISY-Fan heute enttäuscht nach Hause.
Felix Patzig

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